© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    13/01 23. März 2001

 
WIRTSCHAFT
Um den Euro ranken Phantasien
Bernd-Thomas Ramb

Stell dir vor, es gibt Euros und niemand geht hin", wäre die monetäre Verballhornung des pazifistischen Bonmots "Stell dir vor, es gibt Krieg und niemand geht hin". Die Bereitschaft – nicht nur der Deutschen –, sich mit der bevorstehenden Ankunft der Euro-Münzen und Banknoten ernsthaft zu befassen, vor allem aber mit dem Euro als Recheneinheit umzugehen, ist allerorten mehr als dürftig. Weniger als 20 Prozent der EU-Einzelhändler haben, der jüngsten Umfrage einer internationalen Unternehmensberatung zufolge, ihre Umstellungsarbeiten abgeschlossen. Etwa jeder Dritte hat gerade erst mit der Euro-Umstellung angefangen. Mehr als 15 Prozent der Unternehmer ignorieren bislang die Tatsache, daß ab dem kommenden 1. Januar nur noch in Euro fakturiert werden darf. Dabei dauert die Umstellung des firmeninternen Rechnungswesens im Einzelhandel ein gutes Jahr.

Andererseits: Die Banken und Sparkassen sind bei ihrer Versorgung mit Euro-Bargeld selbst im Verzug. Nur jedes dritte Institut hat bisher einen Liefertermin für das neue Geld vereinbart. Ab September könnten sie beliefert werden. Eine Verschiebung zum Jahresende hin gefährdet wegen der beschränkten Transportkapazitäten die rechtzeitige Anlieferung: "Stell dir vor, jeder geht hin und es gibt keine Euros." Schließlich aber, wenn die Euros wirklich rechtzeitig angeliefert werden sollten und die Bürger tatsächlich den Weg zur Bank einschlagen würden, gäbe es überhaupt brauchbare Euros? Gemeint ist hier nicht die fehlende Eignung zur Abwehr von Inflation und Außenwertverfall, sondern schlicht die praktische Verwendbarkeit. Die Meldungen von fehlenden Sicherheitsmerkmalen und sich auflösenden Sicherheitsfäden häufen sich: "Stell dir vor, der Euro müßte aus technischen Gründen abgesagt werden."


 
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