© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    12/01 16. März 2001

 
Blick in die Medien
Verflachung
Ronald Gläser

Die Einwohner von Großstädten kennen sie aus U-Bahnhof oder Einkaufspassagen: die Gratiszeitungen. Bislang waren kostenlos verteilte Tageszeitungen wie 15.00 Uhr oder 20 Minuten Köln meistens nur Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Jetzt plant der Springerkonzern den Einstieg in das Geschäft, weil ihm eine ernstzunehmende Konkurrenz vom norwegischen Schibsted-Konzern droht. Dieser Verlag drängt auf den deutschen Markt. Mit einer Investition von bis zu 100 Millionen Mark will Springer den Skandinaviern jetzt Paroli bieten, nachdem die Gratiszeitungen nicht gerichtlich unterbunden werden konnten. In Berlin, Düsseldorf, Hamburg, Frankfurt, Köln und München könnten demnächst Gratiszeitungen des Springerverlages verschenkt werden. "Köln extra" besteht bereits. An der Konzeption der für die anderen Städte gedachten Blätter wird derzeit gearbeitet. Der Marktstart ist für Mitte März vorgesehen, wobei die Testphase zunächst bis zum Mai laufen soll.

Diese kostenlos verteilten Blättchen symbolisieren die Veränderung der modernen Presselandschaft hervorragend. Sie finanzieren sich überhaupt nicht mehr durch ihre Leser, sondern ausschließlich durch ihre Anzeigenkunden. Was zählt, ist nur noch die Auflage – unabhängig davon, ob die "Kunden" das Produkt wirklich bewußt zur Hand nehmen. Die Vermarktung hängt nur davon ab, wie viele Blondinen an U-Bahnausgängen und Fabriktoren die Publikation unters Volk bringen. Der Verflachung, die sich in der reinen Verbreitung von solchen Agenturmeldungen ausdrückt, sind Tor und Tür geöffnet.


 
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