© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    11/01 09. März 2001

 
"Kampf gegen rechts" als Wahlschlager
Hessische Kommunalwahlen: Liberalisierung des Drogenkonsums als wichtiges Thema von SPD und PDS / Rechte Parteien fühlen sich behindert
Werner Olles

Nachdem die PDS im Wahlkampf vor Frankfurter Schulen Flugblätter verteilte, in denen die Freigabe "weicher Drogen" wie Haschisch gefordert wurde, mochte auch der SPD-Spitzenkandidat Rolf Praml in Wiesbaden in dieser Frage nicht länger abseits stehen. Die CDU-Rathausfraktion warf Praml vor, er habe sich bei einer Podiumsdiskussion des Stadtschülerrats mit unverantwortlichen Äußerungen zur Drogenpolitik "schon vor der Kommunalwahl bei der PDS beziehungsweise der Linken Liste angebiedert" und "Haschisch als Einstiegsdroge salonfähig gemacht". Nach Darstellung des CDU-Pressesprechers Weinerth soll sich der Sozialdemokrat sogar dafür ausgesprochen haben, den Gebrauch von Kokain zu legalisieren. Der bezeichnete dies als "Diffamierung seiner Person", er habe, auf die PDS-Kampagne zur Haschisch-Freigabe angesprochen, aufgrund eigener Erfahrungen als Jugendrichter nur dafür plädiert, Haschischkonsumenten zu "entkriminalisieren", da sonst die Beschaffungskriminalität ausufere.

Ob es der SPD allerdings gelingen wird, die PDS mit derlei dubiosen Vorstellungen links zu überholen, ist fraglich. In Rodgau setzte SPD-Generalsekretär Franz Müntefering bei einer Wahlkampfveranstaltung im Bürgerhaus vor rund 300 Besuchern auf die altbewährte Masche und schürte nach Kräften Ressentiments gegen "Rechts". "14.000 neonazistische Ausschreitungen" seien im vergangenen Jahr deutschlandweit registriert worden. Solche Zahlen sollen suggerieren, daß hierzulande niemand mehr vor gewalttätigen Neonazis sicher ist. Sie kommen jedoch nur dadurch zustande, daß der Verfassungsschutz und die Medien sich inzwischen nicht mehr auf die Darstellung tatsächlicher rechtsextremistischer Delikte beschränken, sondern in einem Aufwasch linksextremistische Gewaltexzesse bei Auseinandersetzungen mit dem politischen Gegner diesem anrechnen und zudem penibel jedes in eine Schulbank geschnitzte Hakenkreuz als "Gewalt von rechts" definiert wird. Müntefering exkulpierte dann allerdings die "Leute mit Springerstiefeln", es seien vielmehr "die Herren in Anzug und Krawatte, die die braune Ideologie" verbreiteten.

Da agierte Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer (Die Grünen) schon etwas subtiler. Bei einer Diskussionsveranstaltung ihrer Partei in Darmstadt zum Thema "Politik und Moral" plädierte sie für eine klare Trennung dieser Begriffe. Kritischen Fragen zur Rolle der Grünen im Kosovo-Krieg begegnete sie ausweichend, über Krieg dürfe nicht mit "religiöser Inbrunst" entschieden werden. Gegen einen "von den Vereinten Nationen sanktionierten militärischen Polizeieinsatz" habe sie jedoch nichts einzuwenden. Über dieses dreiste Hantieren mit Begriffen, das aus Pazifisten flugs Bellizisten werden läßt, waren die rund 100 Zuhörer offensichtlich so erstaunt, daß sie auf weitere Fragen verzichteten.

Von Interesse dürfte es sein, wie die PDS in der ehemaligen DKP-Hochburg Marburg abschneidet. 1997 waren dort erstmals Vetreter der SED-Nachfolger mit 6,2 Prozent der Wählerstimmen in ein westdeutsches Stadtparlament eingezogen. An diesen Erfolg möchte die Partei anknüpfen und bekommt dazu tatkräftige Hilfe von der Brandenburger PDS. Auch in Frankfurt, Kassel, Gießen und Offenbach greifen mitteldeutsche Landesverbände ihren westlichen Genossen unter die Arme. Spitzenkandidaten der PDS wie Georg Fülberth und Eva Gottschaldt kommen aus der DKP, die 20 Jahre lang im Stadtparlament vertreten war. Von der Marburger Philipps-Universität aus, an der kommunistische Gruppen wie der MSB Spartakus und der Sozialistische Hochschulbund unter der Ägide Professor Wolfgang Abendroths jahrzehntelang den Ton angaben und das politische, gesellschaftliche und kulturelle Klima in Marburg bestimmten, stürmte die radikale Linke damals das Stadtparlament, um dieses zu einer "Tribüne des Klassenkampfes" umzufunktionieren. So erwarb sich die Stadt den zweifelhaften Ruf des "roten Marburg".

Eine Hochburg der Republikaner ist hingegen die Industriestadt Hanau, wo sie bei den Kommunalwahlen 1997 mit 14,1 Prozent und neun Abgeordneten ein Spitzenergebnis erzielten und drittstärkste Fraktion wurden. Ziemlich beispielhaft demonstrierte dies, daß die "intellektuellen Mittelschichten" – siehe Marburg – eher "links", die sogenannten "kleinen Leute" jedoch eher "rechts" wählen. Ein Viertel der Kandidaten auf der Republikaner-Liste sind diesmal parteilose Sympathisanten. Auf dem chancenreichen achten Platz kandidiert zudem mit dem ehemaligen CDU-Mitglied Luigi Cavone der stellvertretende Vorsitzende des Hanauer Ausländerbeirats, was ziemlichen Staub aufwirbelte (JF berichtete). In Darmstadt und Dietzenbach gelang es den Republikanern, Podiumsdiskussionen der Kreisausländerbeiräte, zu denen bis auf die Republikaner alle zur Kreistagswahl antretenden Parteien von CDU bis PDS eingeladen waren, von den zuständigen Verwaltungsgerichten per einstweiliger Verfügung untersagen zu lassen, da der Kreis im Wahlkampf zur absoluten Neutralität verpflichtet ist. Gegen eine Veranstaltung der Wiesbadener Republikaner "Eigenes Volk zuerst" mit dem Vertreter des belgischen "Vlaams Blok", Wim Verreycken, demonstrierte unter dem Motto "Hip-Hop gegen Rechts" das dortige "Kulturzentrum" und fühlte sich nach Lärmschutzauflagen durch die Stadt "in der Ausübung des Demonstrationsrechts behindert". Die NPD tritt bei nur in wenigen Gemeinden und Kreisen an. Ob es ihr gelingt, in ihrer Hochburg Wölfersheim und im Wetteraukreis, wo sie traditionell stark ist, wiederum Erfolge zu erzielen, ist schwer einzuschätzen.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen