© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    11/01 09. März 2001

 
Biopolitik und Ethik
Eine Wende für das Leben
Dieter Stein

Raten Sie einmal, von wem die folgenden Sätze stammen: "Menschliches Leben beginnt mit der Zeugung. Denn von diesem Augenblick an setzt ein lebensgesteuerter Prozeß ein, in dem sich ein eigenständiges Menschenkind mit von den Eltern unabhängiger Persönlichkeit entwickelt. Dabei ist es für den Gesetzgeber, der weltanschaulich neutral sein muß, nicht entscheidend, wie genau der Beginn einer eigenständigen Rechtsposition zu bestimmen ist. Jede Definition von menschlichem Leben, die später einsetzt als mit der Zeugung, steht in der Gefahr, willkürlich nach Sichtweise und Interessen Dritter bemessen und entsprechend willkürlich ausgeweitet zu werden. Der Staat ist zum Schutz und zur Förderung allen menschlichen Lebens, also auch des von frühen Embryonen, verpflichtet. Denn Menschenwürde und Lebensrecht sind nicht nur Grundrechte, sondern auch Ziele staatlichen Handelns."

Falsch geraten, dieser Satz stammt weder von der "Aktion Lebensrecht für Alle" noch von Kardinal Ratzinger. Er wurde von Andrea Fischer, der grünen Ex-Gesundheitsministerin, und der SPD-Politikerin Margot von Renesse in einem Aufsatz zur Gentechnik, Biopolitik und Embryonenforschung verfaßt (FAZ vom 3. März 2001. Daß menschliches Leben mit der Zeugung beginne, ist von der feministischen Linken stets verneint worden, um vor 25 Jahren in Deutschland die Freigabe der Tötung ungeborener Kinder durch Abtreibung (verniedlichend "Schwangerschaftsabbruch" genannt) durchzusetzen (siehe auch Bericht auf Seite 13) und seitdem jährlich Hunderttausende ungeborene Kinder legal ans Messer zu liefern. Man vertritt teilweise bis heute die Auffassung, es handle sich beim Embryo lediglich um einen "Zellklumpen", der bei der Abtreibung vernichtet werde, und daß ein Kind erst ab der Geburt den vollen Schutz des Gesetzes erfahren solle.

Diese Auffassung wird durch Andrea Fischer und Margot von Renesse in sensationeller Weise öffentlich geräumt. Völlig konträr dazu fordern noch im Wahlprogramm zur Bundestagswahl 1998 die Grünen die "Streichung des frauenfeindlichen Abtreibungsparagraphen 218" (der nämlich das Lebensrecht des Kindes ab der Zeugung schützen soll), die "Zulassung der Abtreibungspille RU 486", als "Teil des Selbstbestimmungsrechtes", "das Recht zu entscheiden, ob und welcher vorgeburtlichen Diagnostik eine Schwangere sich unterzieht". Frau Fischer und Frau von Renesse kommen nun zu der klugen Erkenntnis, daß menschliches Leben nicht zum Handelsobjekt einer Pharmaindustrie gemacht werden darf, die schon bisher aus abgetriebenen Föten Material für Schönheitspräparate gewonnen hat.

Mit der Schleifung des Lebensrechts durch den "reformierten" Paragraph 218 hat man den Weg zur gentechnischen Ausbeutung des Menschen zu wirtschaftlichen Zwecken geebnet und eine Büchse der Pandora geöffnet. Es ist fraglich, ob dies ohne eine "Selbstverständigung unserer Gesellschaft über ihre gemeinsamen Werte" (Fischer/Renesse) rückgängig zu machen ist. Die Geister, die man 1968 rief, sie wird man nicht mehr los ...


 
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