© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    10/01 02. März 2001

 
Jusos wollen Plakate abreißen und zerstören
Kommunalwahl in Hessen: Wer zieht in den Frankfurter Römer ein? / Linke Splittengruppen als Konkurrenz für Grüne und PDS / Republikaner optimistisch
Werner Olles

Die politischen Parteien sehen die hessischen Kommunalwahlen am 18. März in erster Linie als ein Stimmungsbarometer an. Nach allen bisher bekannten Umfragen dürften vor allem CDU und Grüne herbe Stimmenverluste erleiden, während der SPD leichte und der FDP erhebliche Zugewinne vorausgesagt werden. Im Blickpunkt steht vor allem Hessens größte Stadt Frankfurt am Main, in der gleichzeitig auch Oberbürgermeisterwahlen stattfinden. Bei dieser Direktwahl ist jedoch die gegenwärtige OB Petra Roth (CDU) mit phantastischen Umfragewerten von teilweise über sechzig Prozent unangefochtene Favoritin gegenüber ihren Konkurrenten Achim Vandreike (SPD), Jutta Ebeling (Grüne), Klaus Sauer (Republikaner), Franz Zimmermann (FDP), Eberhard Dähne (PDS), Zorica Surla (Ökolinx-Antirassistische Liste) und dem unabhängigen Bewerber Reinhold Müller. Sie wird dann vermutlich weiterhin mit wechselnden Mehrheiten und einem "All-Parteien-Magistrat" – allerdings wie bisher ohne die Republikaner – regieren.

Etwas anders sieht es bei der Wahl zur Frankfurter Stadtverordnetenversammlung aus. 15 Parteien, Wählergruppen und Listenverbindungen kandidieren um die 93 Sitze im Römer. Hier zieht die SPD, die im Wahlkampf vor allem durch die Verleihung eines "SPD-Kulturpreises" an Sabrina Setlur glänzte, in den Umfragen zur Zeit an der Union vorbei, die Grünen haben leichte Einbußen und die Liberalen legen kräftig zu. Nachdem auch in Hessen die Fünf-Prozent-Hürde gefallen ist und die Wähler erstmals "kumulieren und panaschieren" können, dürfte vor allem interessant sein, wie die kleineren Parteien und Wählergemeinschaften als potentielle Koalitionspartner der "Großen" abschneiden.

Mit den Freien Wählern "Bürgerbündnis für Frankfurt" und ihrem Vorsitzenden und Spitzenkandidaten Wolfgang Hübner stellt sich eine Gruppierung zur Wahl, die stark verankert ist im Widerstand gegen den Ausbau des Flughafens Rhein-Main und die mit ihrem Kommunalwahlprogramm auch bürgerlich-konservative Kreise ansprechen will. In der Wirtschaftspolitik will sie "dem Mittelstand endlich wieder eine vernehmliche Stimme geben", die umweltfeindliche rot-grüne Verkehrspolitik soll "gründlichst überarbeitet" und in der Kulturpolitik "die Alltagskultur der Frankfurter Bürger ideell und finanziell gefördert werden". Sonderrechte für ethnische oder kulturelle Minderheiten lehnen die Freien Wähler als "integrationsfeindlich" ab. Da das "Bürgerbündnis" 1997 1,6 Prozent der Stimmen erreichte, was nach dem neuen Wahlrecht einen oder sogar zwei Sitze in der Stadtverordnetenversammlung bedeuteten würde, rechnet man hier fest mit dem Einzug in den Römer.

Unter dem Namen FAG (FlughafenAusbauGegner) tritt eine aus dem linksradikalen Spektrum stammende Tarnliste zur Kommunalwahl an, die auf diese Weise versucht, bei den in der Hauptsache bürgerlichen Ausbaugegnern auf Stimmenfang zu gehen. Für einen Skandal sorgte auch die PDS, die in Frankfurt, Hanau, Offenbach, Wiesbaden, Gießen und Kassel Flugblätter vor Schulen verteilte, in denen sie für den straflosen Erwerb von Haschisch für Jugendliche ab 16 Jahren eintritt. Auf der PDS-Liste für die Kommunalwahl in Frankfurt kandidieren mindestens fünf DKP-Mitglieder, was für heftige Diskussionen in der Partei sorgte, da man eigentlich nur Kandidaten auf der Liste wollte, die nicht bei anderen Parteien eingeschrieben sind. Auf Platz 9 der Liste kandidiert der stellvertretende PDS-Bundesvorsitzende und frühere SPD-Stadtrat Diether Dehm. Stark unterstützt wird die PDS im Wahlkampf von mitteldeutschen Landesverbänden.

Die im Juni 2000 gegründete "Multikulturelle Liste Frankfurt" (MKL) ist inzwischen in Jutta von Ditfurths "Ökolinx/Antirassistische Liste" aufgegangen, die 1993 mit der PDS eine Listenverbindung eingegangen war. "Ökolinx" macht u.a. in einer "langen Nacht gegen Rassismus" Wahlkampf mit den früheren Hamburger KB-Mitgliedern und Grünen-Fundamentalisten Rainer Trampert und Thomas Ebermann. Zu ihren Forderungen gehören "ein Bleiberecht für alle und offene Grenzen", nach niederländischem Vorbild die Einrichtung von "Antidiskriminierungsbüros" in allen Stadtteilen, die völlige Freigabe des Stimmrechts für alle Ausländer, die Einrichtung eines "MigrantInnenbüros" und die Abschaffung des Flughafen-Asylverfahrens. In den Grünen sieht "Ökolinx" eine "antisoziale Kriegspartei, auch die PDS sei "keine linke Alternative, denn sie wird beim nächsten deutschen Krieg dabei sein". Vier ehemalige PDS-Mitglieder kandidieren nun für die linksextremistische Konkurrenz, die allein dreizehn ausländische Bewerber auf den ersten zwanzig Plätzen ihrer Liste hat. Auf dem 16seitigen Farbprospekt von "Ökolinx" werden die Wähler zudem aufgefordert, den ersten drei Bewerbern auf der Liste jeweils drei Stimmen zu geben, um eine "unfreundliche Einmischung" in deren Reihenfolge zu verhindern. Diese ersten drei Plätze belegen Jutta von Ditfurth, ihr Lebensgefährte Manfred Zieran und das ehemalige KPD/ML- und PDS-Mitglied José del Pozo.

Aus dem rechten Spektrum kandidieren in Frankfurt nur die Republikaner. Mit ihrem Plakat zur "Bubis-Brücke" – die Alte Brücke war im vorigen Jahr von der Stadtverordnetenversammlung, aber gegen den Willen der Mehrheit der Frankfurter Bevölkerung in "Ignatz Bubis-Brücke" umbenannt worden – provozierten die Republikaner die von allen guten Geistern verlassenen Jusos dazu, zu illegalen Aktionen aufzurufen: Alle Bürger der Stadt sollen die Plakate der Republikaner von den Laternenpfählen "abreißen und zerstören". Eine bessere Wahlwerbung hätten sich die Republikaner kaum wünschen können.

Daneben treten in Frankfurt noch die ÖDP, die Mittelstandspartei, die Tierschutzpartei "Mensch, Umwelt, Tierschutz", ein "Forum der Unzufriedenen", die Feministische Partei "Die Frauen" und die "Europa Liste" zur Kommunalwahl an. Ihnen werden jedoch kaum Chancen auf einen Einzug in den Römer eingeräumt.


 
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