© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    10/01 02. März 2001

 
Gert Hoffmann
Identität stiften
von Christian Vollradt

Die Bürger Braunschweigs werden im kommenden September erstmals ihren Oberbürgermeister direkt wählen können. Als Kandidaten für dieses Amt nominierte die CDU nahezu einstimmig den Gifhorner Rechtsanwalt Gert Hoffmann, von 1980 bis 1991 Stadtdirektor der Verwaltung seiner Heimatstadt und anschließend drei Jahre lang Regierungspräsident in Dessau. Für einen Skandal sollte sorgen, was jüngst die Leipziger Volkszeitung als biographische Schattenseite des Kandidaten meinte aufdecken zu müssen: Hoffmann war von 1967 bis 1969 während seines Studiums in Göttingen aktives Mitglied der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD).

Doch wer eine großangelegte Kampagne und die Demontage des Unionsmannes erwartet, muß mit einer Enttäuschung rechnen. Denn seine frühere NPD-Mitgliedschaft ist ein längst bekanntes und nie bestrittenes Faktum, mit dem schon im vergangenen Herbst die Lokalpresse nur kurzzeitig Aufmerksamkeit erheischen konnte. Selbst der sozialdemokratische Konkurrent hielt sich mit Äußerungen dazu zurück, nicht zuletzt auf Weisung von Ministerpräsident Gabriel.

Hoffmann selbst bezeichnet die Sache als "Jugendsünde", er habe seine "rechtsradikale" Vergangenheit "abgearbeitet". In die NPD sei er aus oppositioneller Haltung gegen seine linken Kommilitonen und gegen die Große Koalition gegangen. Damit befand sich der 1946 geborene Jurist gar nicht so sehr im Widerspruch zum damaligen Zeitgeist. Und immerhin saßen nach der Wahl 1967 die Nationaldemokraten mit zehn Abgeordneten im niedersächsischen Landtag; die Partei war damals unter ihrem honorigen Vorsitzenden Adolf von Thadden – in bürgerlichen Kreisen anerkannt – durchaus wählbar. Auch die Integration ehemals "Rechtsradikaler" in die CDU war Anfang der siebziger Jahre kein Einzelfall: Die niedersächsische Union nahm sogar einen ehemaligen NPD-Abgeordneten in ihre Fraktion auf, obwohl dies zum Scheitern der Koalition mit der SPD und zur anschließenden Landtagsauflösung beitrug.

Bereits während seiner Tätigkeit als Stadtdirektor in Gifhorn hatte sich Hoffmann als resistent gegen Tabus der political correctness erwiesen, als er um des sozialen Friedens der Stadt willen keine weiteren Asylbewerber mehr aufnehmen ließ.

In einem ganz anderen Punkt möchte sich der mit einer Lehrerin verheiratete Vater zweier erwachsener Kinder als "Vergangenheitsbewältiger" bewähren, sollte er in das Amt gewählt werden: Er sprach sich für den Wiederaufbau eines Teils des Braunschweiger Stadtschlosses aus, dessen ausgebrannte Reste der SPD-geführte Rat Anfang der sechziger Jahre zugunsten eines Kaufhauses abreißen ließ – aus denselben Motiven wie die Genossen in Ost-Berlin. Mit der Errichtung dieses identitätsstiftenden Symbols, so Hoffmann weiter, solle diese "große Sünde der Sozialdemokraten an der Stadt" gesühnt werden.


 
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