© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    09/01 23. Februar 2001

 
Neulich im Internet
Undank als Lohn
Erol Stern

Wer kennt ihn nicht, den adretten jungen Mann von nebenan? Er ist immer da, wenn man ihn braucht, sei es nun, um die Kanäle auf dem Videorekorder zu programmieren oder eine Lampe anzuschließen. Aber kennt man ihn wirklich? Meist ist er mit der Aura des zurückgezogenen, menschenscheuen Tüftlers umgeben, seine Wohnung stellt man sich als Bastelwerkstatt vor, die Luft ozongeschwängert, die Tische voller Computerzeitungen, Platinen und Pizzakartons. Die anfäng-liche Dankbarkeit ist schnell verflogen. "Der kriegt nie eine ab", belächelt mancher ihn insgeheim und seine vermutlich frauenlose, technoide Traumwelt. Der Lohn ist also nicht selten Undank. Was sich hier anhört wie die enttäuschten Reflektionen eines ausgenutzten Computerfreaks, war für mich vor geraumer Zeit der Anfang eines Umdenkens: So kam mir eines Tages die Erkenntnis, nicht immer sofort für alle da zu sein. Auch heute noch erwarten einige, daß ich bei PC-Problemen freudig zur Stelle bin, und ich sorge für Verwunderung, weil ich gelernt habe, "Nein" zu sagen – höflich und bestimmt – oder auch mal Geld zu nehmen, denn was nichts kostet, ist in unserer Gesellschaft oft nichts wert. Neuen Bekanntschaften gegenüber halte ich mich präventiv mit PC-Wissen sehr bedeckt. Das alles hat nichts mit Verbitterung zu tun, ich trage die Verantwortung für frühere Zustände. Szenen wie in Ulfs Cartoon unten spielen sich wohl eher in unser beider kranken Phantasien ab. Sollte Euch also jemand um Hilfe bitten, überlegt Euch sorgsam, ob es nicht zum Faß ohne Boden werden könnte, und helft gelegentlich, aber nicht zu bereitwillig, rät Euer EROL STERN


 
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