© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    09/01 23. Februar 2001

 
Ein Opfer zweiter Klasse
Vor einem Jahr ermordeten Ausländer den jungen Handwerker Robert Edelmann / Christliche Gruppe veranstaltete Mahnwache am Tatort
Ellen Kositza

Nicht nur der Fall Sebnitz mit seiner Mobilisierung eines gewaltigen Medientrosses und hoher Politiker bis hin zum Bundeskanzler hat gezeigt, daß es in diesem Land zwei Klassen Gewaltopfer gibt. Solche, über deren Tod – und sei ein Mord nicht einmal erwiesen – Bestürzung und Beschämung herrscht, Entsetzen gar, und dem gegenüber solche, denen schmale Zeitungsnotizen gelten: zur Kenntnis genommen, schlimm – und fertig.

Die deutsch-polnische Grenzstadt Guben ist dem Medienrezipienten längst noch ein Begriff und untrennbar mit dem Tod des Asylanten Omar ben Noui verbunden. Kurz nach dessen Tod durch Nötigung war in Guben ein Gedenkstein aufgestellt, Mahnwachen abgehalten worden. Durch Fernsehberichte, Talkshows und ausführliche Zeitungsartikel bis hin zur absehbaren Bestürzung über ein "viel zu geringes" Urteil gegen die Täter durfte ganz Deutschland teilhaben an der Trauer um den Algerier.

Der brutale Mord, der in Frankfurt-Griesheim just an demselben Tag im Februar 1999 an dem Offenbacher Heizungsbauer Robert Edelmann verübt wurde, konnte nicht für fette Schlagzeilen herhalten: Das Opfer hier ein Deutscher, die Täter aus Marokko, Eritrea, der Türkei und Jordanien. Keine Lichterketten, keine Schweigemärsche für Robert Edelmann. Im vergangenen Jahr nun waren in Frankfurt die Urteile gegen die Griesheimer Messerstecher ergangen, die der Verhandlung feixend beigewohnt hatten und bisweilen nicht mit Häme gegenüber der Opferfamilie sparten. Der Hauptangeklagte Semere T. aus Eritrea hatte sieben Jahre, der zweite Rädelsführer, der türkischstämmige Denis T. hatte drei Jahre Jugendhaft erhalten.

Aus "purer Lust an der Gewalt", so der Richter bei der Urteilsverkündigung, hätten die Täter gehandelt. Semere T., der den Kopf des bereits verblutenden Opfers vom Boden riß, um den Jungen mit weiteren Stichen regelrecht zu erlegen, hatte sich anschließend im Freundeskreis noch seiner Tat gerühmt. Auch späterhin ("ich habe ihn doch nur mit dem Messer gekitzelt", veränderte sich während der Verhandlung seine subjektive Einschätzung der Tat) fanden freilich weder er noch die Mittäter ein persönliches Wort des Bedauerns für die trauernde Familie.

"Jeder einzelne vergangene Tag brachte das bittere Erwachen in eine Welt, in der du nicht mehr sein kannst. Robert, du weißt, daß wir stets bei dir sind!", so der schmerzliche Ausruf der Hinterbliebenen in der Zeitungsanzeige, die Eltern und Schwester zum Todestag des brutal gemordeten 23jährigen aufgaben. Bewältigt haben die Edelmanns den Verlust von Sohn und Bruder längst nicht. "Wie auch?", fragt Lili, die 28jährige Schwester von Robert. Natürlich, beim Weißen Ring sei man gewesen, habe psychologische Hilfe in Anspruch genommen und fühle den Beistand von Nachbarn und Freunden. "Aber das Wort ’es wird schon wieder‘ gilt hier nichts", sagt sie. Robert, der Autonarr, den Kopf immer voller Ideen und Pläne, kommt nicht zurück. Nicht alle aber haben das Schicksal Robert Edelmanns vergessen. So veranstaltete die christliche Gruppe "Dialog und Versöhnung" aus Mainz am 13. Februar, dem Jahrestag des abscheulichen Verbrechens, eine Mahnwache am Ort der Tat. Pfarrer Rolf Sauerzapf hielt eine Andacht am Griesheimer Bahnhof, und Mitglieder der christlichen Gemeinschaft brachten eine Gedenktafel am Bahnhofsgebäude an. "Nur wenn deutlich wird, daß vor Gott jedes Menschenleben denselben Wert hat, werden wir Gewalt in unserer Gesellschaft wirksam verhindern können", sagte Gerold von Baring-Liegnitz, Sprecher von "Dialog und Versöhnung.

Während offizielle Vertreter des Frankfurter Stadtteils fehlten, nahmen außer interessierten Passanten Hinterbliebene zweier weiterer Familien teil, die ein Gewaltopfer zu beklagen haben. Elke und Jürgen Tragelehn aus Kassel hatten im Herbst 1999 ihren zwanzigjährigen Sohn Thorsten als unschuldiges Opfer einer Messerstecherei verloren. Die Haupttäter Ramazan Y., Öczan K. und Ramin S. wurden auch hier zu mehrjährigen Jugendstrafen verurteilt (JF 38/00). Rudolf und Monika Hinrichs gedachten ihres im Mai 1999 im Landkreis Offenbach hinterrücks erstochenen Sohnes Timo, dessen Mörder Naser und Ylber B. mittlerweile verurteilt hinter Gittern sitzen. Ein von "Dialog und Versöhnung" ausgelegtes Kondolenzbuch wurde nach der Gedenkstunde an Roberts Mutter Larissa Edelmann übergeben.


 
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