© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    09/01 23. Februar 2001

 
PRO&CONTRA
Kontrolle aller Internet-Nutzer wegen Piraterie?
Phonographischen Industrie / Dr. Hannes Federrath

Im Jahr 2000 wurden insgesamt 130.752 illegale Tonträger beschlagnahmt. Das ist im Vergleich zu 1999 (111.310) zwar eine leichte Steigerung, liegt jedoch weit unter den Zahlen der vorangegangenen Jahre (1998: 369.942, 1997: 576.944). Insgesamt liegt die traditionelle Musik-Piraterie in Deutschland auch weit unter den Zahlen in anderen europäischen Ländern …

Im Online-Bereich konzentrieren sich die Anstrengungen der IFPI auf die Verfolgung illegaler Angebote in Deutschland. Im Jahr 2000 wurden insgesamt 832 deutsche Webseiten mit nicht-legalen Musikangeboten bei den Internet-Providern abgemahnt, die die Seiten daraufhin gesperrt haben. Das entspricht in etwa der Zahl der 1999 abgemahnten Seiten. In Deutschland funktioniert die Verfolgung der Internetpiraterie so gut, daß die Zahl der illegalen Angebote relativ gering bleibt.

In der internationalen Piraterieverfolgung arbeitet die Deutsche Landesgruppe der IFPI eng mit ihren Schwesterorganisationen in weltweit über 70 Ländern zusammen. Insgesamt 5365 illegale Angebote aus dem Ausland wurden im Jahr 2000 an die jeweils zuständige Landesgruppe der IFPI weitergeleitet und von dort aus verfolgt. Die Internet-Piraterie ist weltweit ein großes Problem der Musikwirtschaft. Illegale Angebote von Musik zum downloaden finden sich auf tausenden von Websites, hinzu kommen illegale Filesharing-Angebote nach dem Vorbild von Napster. Wegen der internationalen Angebote im Internet ist das Vorgehen gegen die Anbieter aber wesentlich schwieriger als im Bereich der illegalen CDs.

Um nachhaltige Erfolge zu erzielen, sind deshalb neue Lösungsansätze wie etwa das im Auftrag der Deutschen Landesgruppe der IFPI entwickelte "Rights Protection System" (RPS) notwendig. Damit kann der Zugriff auf illegale Musikangebote im Ausland aus Deutschland heraus unterbunden werden.

 

Stellungnahme (Auszüge) des Bundesverbandes der Phonographischen Industrie, Pressesprecher Hartmut Spiesecke.

 

 

Kriminelle Inhalte im Internet können, wie auch in anderen Medien, nicht toleriert werden. Sie müssen in allen Medien bekämpft und verhindert werden. Alle Wege zur Bekämpfung müssen allerdings die Grundentscheidung zwischen Freiheit und Kontrolle treffen. Freiheit ist manchmal auch eine Last. Es gibt jedoch gute Gründe – auch technische –, sich für die Freiheit zu entscheiden. Dies darf allerdings nicht mißverstanden werden als Aufforderung zur Verbreitung rechtswidriger Inhalte im Internet. Toleranz wäre hier eine Schwäche.

Internet-Kontrollen sind technisch mangelhaft und werden es solange sein, bis international anwendbare Regeln gelten. Anbieter rechtswidriger Inhalte weichen bei Sperrung beispielsweise auf Server im Ausland aus. Das Internet ist faktisch ein internationales Netz. Wenn Sperren wirkungsvoll sein sollen, bedarf es erstens eines internationalen Konsens, was rechtswidrige Inhalte sind, und zweitens einer international anerkannten Organisation, die dafür sorgt, daß die Regeln international eingehalten werden.

Forderungen nach stärkeren Kontrollmöglichkeiten der Internet-Benutzer sind Ausdruck des Ohnmachtsgefühls der Betroffenen – hier des Staates –, aber kein Mittel zur Stärkung des mündigen "Internet-Bürgers".

Technisch mangelhafte Sperren werden dazu führen, daß Laien in die Sperre laufen. Technisch versierte Internet-Benutzer lassen sich durch verbesserte Kontrollmöglichkeiten nicht abschrecken. Etwas platt formuliert: Sperren beschützen die Dummen und machen aus den vermeintlich Cleveren Helden.

Nichts ist fataler als ein falsches Sicherheitsgefühl bei den Menschen. Politische Entscheidungen für eine stärkere Kontrolle der Internet-Benutzer werden vielleicht das Sicherheitsgefühl der Menschen stärken, faktisch aber keine höhere technische Sicherheit bieten können.

 

Dr. Hannes Federrath ist Sicherheitsexperte im Bereich Verschlüsselung, Datenschutz und Mobilkommunikation an der FU Berlin.


 
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