© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    08/01 16. Februar 2001

 
Neulich im Internet
Papst
Erol Stern

Nun ja, auch der Heilige Vater ist vom technischen Fortschritt nicht verschont geblieben. Bewegte er sich bis dato mit archaischer Ruhe und souveräner Routine in den althergebrachten Medien, so hat er schon 1996 eine weitere Möglichkeit zur "Kundenbindung" für sich entdeckt: Unter vatican.va finden wir das Portal des Papstes. Da er bekanntlich Filialen in aller Herren Länder betreibt, sind die Online-Contents folglich in den Sprachen Deutsch, Englisch, Spanisch, Portugiesisch, Französisch und Italienisch "available". Die in gefällig dezentem Terracotta-Retro-Design gehaltene Seite bietet den Nutzern ein breit gefächertes Informationsangebot nebst Bibliothek

und sogar einem Geheimarchiv! Neugierig klicke ich dorthin, finde aber nichts. Vermutlich ist es so geheim, daß es keiner sehen darf, denn das sonst übliche "under construction" fehlt. Oder man möchte Industriespionage vorbeugen? Lediglich die Sonntagsgebete gibt es als Video-Stream. So läßt sich doch keine Religion verkaufen! Natürlich benutzt man längst keine Steintafeln mehr, die Homepage wird von drei Servern gespeist, die gemäß Corporate Identity nach den Erzengeln Raphael, Michael und Gabriel benannt wurden. Außerdem ist in der Marketing-Abteilung die Nachfrage nach einem Schutzpatron der Internetuser und Computer-Programmierer im Gespräch. Erste Castings favorisieren den Heiligen Isidor von Sevilla, Verfasser der Etymologiae im siebten Jahrhundert (erste Enzyklopädie). Gäbe sicher gute PR, meint Euer EROL STERN


 
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