© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    08/01 16. Februar 2001

 
Eiskalt
Für Putin gibt es nur einen gleichwertigen Partner – die USA
Carl Gustaf Ströhm

Auf einer "Beratung der Führung des diplomatischen Dienstes der Russischen Föderation" am 26. Januar 2001 hat Staatspräsident Wladimir Putin den Beamten des Moskauer Außenministeriums gehörig den Kopf gewaschen. Er beschuldigte seine Diplomaten, nicht genügend Härte bei der Vertretung russischer nationaler Interessen zu zeigen und sich vor den westlichen Partnern zu "genieren", scharfe Fragen zu stellen. Weiter wirft Putin den russischen Diplomaten vor, in der "Wirtschaftsdiplomatie" viele Möglichkeiten ungenutzt zu lassen.

Außerdem verpaßt Staatspräsident Wladimir Putin seinem Außenministerium in Moskau eine "gehörige Abreibung", weil in diesem Ministerium die Interessen und Nöte der "Auslandsrussen" – also jener, die als ehemalige Sowjetbürger in den seit dem Zerfall der UdSSR selbständig gewordenen Staaten leben. Das heißt, in den Ländern vom Baltikum über den Kaukasus bis nach Mittelasien nur unzureichende Beachtung finden. Schließlich fordert Putin seine Diplomaten auf, das negative Bild, das Rußland im Westen bietet, zu verbessern.

Im Gegensatz zur Ära Jelzin spüren die russischen Diplomaten und Hochbürokraten den kalten Lufthauch des Putinschen Regierens: Der – im Vergleich zu seinem Vorgänger – geradezu jugendlich-dynamische Präsident reist viel und hat als ehemaliger Auslandsresident des KGB durchaus ein Gefühl für internationale Fragen. Er will Rußland wieder zur Weltmacht machen – und setzt auf eine kühle – und wenn es sein muß – knallharte Politik. Wer den Text dieser Rede – es handelt sich um eine offiziell nicht veröffentlichte Version – genauer studiert, wird feststellen, daß Putin die Idee des großen, unteilbaren Rußland ins 21. Jahrhundert und in die Ära der Globalisierung herüberretten will. Bemerkenswert ist, daß sich Putin nicht auf Europa festlegen will: Rußland ist für ihn auch eine asiatische Macht, was heißen könnte, daß Moskau eines Tages auch mit Asien gegen Europa auftreten könnte. Auf keinem Fall will sich Putin aber mit einer bloß regionalen Rolle zufriedengeben: Rußland habe "überall auf der Welt Interessen". Auch gewisse Konfrontationen mit den USA schließt er nicht aus. Von einer "Verwestlichung" Rußlands kann unter diesem Präsidenten also keine Rede sein. Zu registrieren bleibt auch, daß Deutschland für ihn – zumindest gemäß dem Text dieser Rede – keine besondere Rolle (mehr) spielt.

Für Putin gibt es nur einen gleichwertigen Partner – die USA. Deutsche Sentimentalitäten (oder auch österreichische, wie sie beim Besuch Putins bei den Skimeisterschaften in St. Anton zutage traten) sind also bewußt nicht angebracht.

Fast scheint es, als sei Putin – um einen Ausspruch Helmut Kohls vom "Enkel Adenauers" zu paraphrasieren – ein "Urenkel Stalins", der ja auch viel weniger ein Ideologe als ein Realpolitiker war. Ein ungemütlicher und unheimlicher allerdings – das ist Putin allerdings nicht.

 

Dr. Carl Gustaf Ströhm promovierte in Tübingen mit einer Dissertation über den russischen Bürgerkrieg. Von 1972 bis Ende 1999 schrieb Ströhm als Osteuropa-Korrespondent für die Tageszeitung "Die Welt".


 
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