© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/01 09. Februar 2001

 
Fundamente des modernen Spanien gelegt
Francisco Franco: Eine Bilanz – fünfundzwanzig Jahre nach seinem Tod
Gonzolo Fernándes de la Mora

Francisco Franco (4.12.1892 – 20.11.1975) ist die Person der spanischen Geschichte, über die am meisten geschrieben wurde. Seine Gestalt beherrscht so sehr die spanische Politik, daß kein Tag vergeht, an dem er nicht, sei es positiv oder negativ, in den Massenmedien erwähnt wird. Zum fünfundzwanzigsten Jahrestag seines Hinganges wurden in spanischer Sprache neunzehn Bücher über ihn veröffentlicht.

Das wichtigste Werk über den Generalissimus ist bis heute das von Luis Suàrez, Ordinarius der Universität Madrid und Mitglied der Königlichen Akademie: Franco y su tiempo (Franco und seine Zeit). Die insgesamt fast 4000 Seiten umfassenden acht Bände erschienen 1984. Prof. Suàrez konnte dabei das persönliche Archiv Francos benutzen und sich in tausenden von Fußnoten auf unveröffentlichte Dokumente beziehen. Zum 25. Todestag und um auf die verleumderische Literatur zu antworten, die einige sozialistische und ex-kommunistische Autoren herausbrachten, hat Prof. Suàrez mit der Veröffentlichung einer erweiterten Version seiner Biographie begonnen. Ihr Titel ist nunmehr: "Franco. Crónica de su tiempo" (Franco. Chronik seiner Zeit, Madrid 2000). Sie wird sechs Bände umfassen. Bisher sind die beiden ersten Bände, zusammen mehr als 1500 Seiten stark, erschienen. Es ist ein sozusagen endgültiges Werk, das zahlreiche inedierte Zeugnisse benutzt und die gesamte Literatur ausschöpft.

Von außerordentlicher Bedeutung ist auch das Buch "Franco" von Ricardo de la Cierva, einem Professor an der Universität Madrid. Von dieser Biographie, die zuerst 1972 erschien, liegt jetzt die vierte, erweiterte und revidierte Auflage vor, das Werk besitzt, neben anderen Vorzügen den, Zeugnisse Francos über verschiedene Aspekte des Marokko-Krieges bis zu dessen siegreichem Abschluß 1925 zu sammeln. In der neuen Ausgabe, die 2000 erschien, wird die Franco-feindliche Literatur einer eindringlichen und dokumentierten Kritik unterzogen. Prof. de la Cierva, aus dessen Feder zahlreiche Schriften über das moderne Spanien stammen, gilt als der beste Kenner der spanischen Geschichte des 20. Jahrhunderts.

Ein drittes, wichtiges Buch ist zu erwähnen, das von Francisco Torres, der an der Universität Murcia lehrt: "Franco o la venganza de la Historia" (Franco oder die Rache der Geschichte, Madrid 2000). Diese, in den Kontext der Zeit eingebettete Biographie ist reich dokumentiert und von großer intellektueller Intensität; sie zeigt Franco als den herausragenden Staatsmann Spaniens in der Moderne.

Unter den Monographien verdient das Buch des Obersten Semprúm Interesse: "El genio militar de Franco" (Der militärische Genius Francos, Madrid 2000). Hier werden die Feldzüge des Marokko- und des Bürgerkrieges unter strategischen und taktischen Gesichtspunkten untersucht. Beide Kriege endeten siegreich, aber im Bürgerkrieg war die anfängliche Unterlegenheit des Nationalen Heeres derart kraß, daß ein Sieg über das Heer der Republik und über die von den kommunistischen Parteien Europas und Amerikas aufgestellten Internationalen Brigaden fast unmöglich schien.

Hinzuweisen ist noch auf die Nummern 104 und 105 der Zweimonatszeitschrift Razón Espanola (Nov. 2000/Jan. 2001), die Franco gewidmet sind. Die Nummern enthalten, auf insgesamt 344 Seiten, achtundzwanzig Studien verschiedener Autoren, meist Professoren, zu verschiedenen Aspekten von Francos Wirken ab 1936 bis zu seinem Tode 1975. Einige der Verfasser präsentieren dabei bis heute unveröffentlichte Dokumente ihrer persönlichen Beziehungen zu Franco. Unter diesen Artikel sticht der des Prof. Velarde hervor, der die ökonomischen Motivationen verschiedener militärischer Aktionen Francos während des Bürgerkrieges erläutert: Der wirtschaftliche Kollaps der Republik fand vor ihrem militärischen Zusammenbruch statt.

Bürgerkrieg mit Minimum an Opfern gewonnen

Es ist schwierig, diese historischen Forschungen zu resümieren; gleichwohl möchte ich einige grundsätzliche Schlußfolgerungen ziehen. Vier fundamentale Tatsachen sind dabei zu beachten.

Die erste ist, daß Franco bereits vor der Erhebung vom 18. Juli 1936 eine nationale Figur mit dem denkbar größtem Prestige war und, daß er auch ohne den Bürgerkrieg als der ehrenvollste Führer des spanischen Heeres und als einer der vorzüglichsten Generäle in Europa anzusehen wäre. Zwar offenbarte er seine militärischen Fähigkeiten mit dem Sieg im Bürgerkrieg, – doch auch ohne diesen wäre er einer der am meisten einer Biographie würdigen Offiziere seiner Zeit.

Die zweite Tatsache ist, daß Franco mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln versuchte, den Ausbruch des Bürgerkrieges zu verhindern und, daß er der letzte der Generäle war, die sich der zivilen und militärischen Erhebung anschlossen; ein Beweis für seine marginale Position und seinen Mangel an politischem Ehrgeiz ist darin zu sehen, daß er die Führung von General Sanjurjo akzeptierte. General Josè Sanjurjo, geb. 1872, 1936 bei einem Flugunfall tödlich verunglückt, wurde von dem Triumvirat der aufständischen Generäle, von Franco, Goded und Mola, zum Führer der nationalen Erhebung erklärt.

Die dritte Tatsache ist, daß Franco in keiner Weise Intrigen spann, um die Führung der nationalen Zone in die Hand zu bekommen. Es waren seine Kriegskameraden, die ihn auf den Schild hoben, wußten sie doch, daß er der einzige war, der sie zum – überaus schwierigen – Sieg führen könnte. Es liegt auf der Hand, daß derjenige, der die gesamte Verantwortung auf sich nimmt, auch die gesamte zivile und militärische Macht für sich fordert, dank der er schließlich triumphiert.

Die vierte Tatsache ist, daß Francos strategische, taktische und logistische Entscheidungen eine außergewöhnlich gelungene Einheit bildeten; ein Beweis dafür ist, daß er, ausgehend von einer kaum glaublichen Unterlegenheit, den totalen Sieg mit einem Minimum an Menschenopfern und an Zerstörungen errang.

Offenbar wird auch die verwegene Zähigkeit Francos gegenüber Hitler, der, nachdem er halb Europa besetzt hatte, die größte Reise seines Lebens unternahm, um den Spanier in der Grenzstadt Hendaye zu treffen, wo er von Franco auf eine gewissermaßen "dialektische" Weise gedemütigt wurde, weigerte sich dieser doch, in den Krieg einzutreten und dem deutschen Heer den Durchmarsch zu erlauben, um Gibraltar zu erobern (während die Schweden es Deutschland erlaubten, Norwegen im Rücken anzugreifen. Falls es "Wunder" in der Geschichte gibt, ist dieses eines der erstaunlichsten: Daß 200 deutsche Divisionen angehalten wurden durch eine Geste. Diejenigen, die Franco grollen, werden nicht müde, die Fotografie seines Zusammentreffens mit dem Mann abzudrucken, der heute zum "Bösen" schlechthin erklärt wird. Nun, dieses Foto ist nur das druckgraphische Zeugnis für den erstaunlichsten politischen Erfolg Francos. Hätte Hitler Gibraltar erobert, wäre der gesamte Krieg sicherlich anders verlaufen. Der Dienst, den Franco der Sache der Alliierten erwies, war außerordentlich. Churchill hat das auf feierliche Weise anerkannt und Eisenhower selbst eilte nach Madrid um den Generalismus zu umarmen.

Franco siegte am Ende über drei weltpolitische Titanen

Zudem hat sich, im weltweiten politischen Rahmen, herausgestellt, daß Franco der einzige Staatsmann war, der den Kalten Krieg voraussah, dessen Kosten für den Westen während beinahe eines halben Jahrhunderts der Spannung und der Aufrüstung immens waren. Franco behielt gegenüber Churchill Recht wie auch gegenüber den nordamerikanischen Präsidenten, die von Stalin betrogen wurden. Dieser ungeheure Irrtum zog Jahrzehnte des Elends und des Schreckens für jene Europäer nach sich, die in Jalta und in Potsdam der sowjetischen Gier und dem unheilvollen realen Sozialismus ausgeliefert wurden. So wie er in Hendaye allein war, so behauptete sich Franco auch danach ohne irgendein wichtiges Zugeständnis und widerstand auch der rachsüchtigen und schrecklichen Drohung Stalins, des Tyrannen, der auch "dialektische" Weise die westlichen Alliierten überwunden hatte. Franco siegte, wie de la Cierva schreibt, "über drei Titanen".

Es ist unleugbar, daß Franco sich einem unterentwickelten, proletarischen, analphabetischen Spanien gegenübersah, einem Land, dessen Verwaltung und dessen Infrastruktur in Trümmern lag und daß er dieses Land zu einer industriellen Potenz und zu einer Mittelstands-Gesellschaft umformte; daß er einen modernen Staat aufbaute, wie ihn Spanien niemals besessen hat. Ganz nebenbei läßt sich das gerade derer widerlegen, die von der kulturellen "Ödnis" der Franco-Ära sprechen, läßt es sich doch beweisen, daß diese Zeit eine der glänzendsten Perioden des Denkens, der Literatur und der Künste in Spanien war, sieht man von dem Goldenen Zeitalter, dem Siglo de Oro, ab. Diejenigen, die derlei Dummheiten aufs Papier bringen, sollten ihre Aufmerksamkeit auf die gegenwärtige kulturelle Degeneration Spaniens werfen: Sie finden hier ein intellektuelles Panorama, das an eine Wüste erinnern, eine dekadente und ordinäre moralische Anämie, einen völligen Nihilismus der Werte.

Zum Schluß muß die Inaugurierung der Monarchie erwähnt werden, die auf Francos willen beruhte, – dies zu einer Zeit, als es in Spanien weder monarchisch nich auch nur dynastisch Gesinnte gab. Hier befand sich der Generalismus weit jenseits des von ihm 1936 in Burgos empfangenen Mandats. Er traf persönlich die Entscheidung, Don Juan Carlos von Bourbon krönen zu lassen – freilich ohne sich vorstellen zu können, daß die Zweite Restauration, gegen alle beschworenen Übereinkünfte, die "Leyes Fundamentales" (diese "Grundgesetze", entstanden zwischen 1938 und 1968, darf man als die Verfassung des Franco-Staates ansehen) demolieren und die nationale Einheit in Fragmente auflösen würde und daß sie das Szenarium und den Katalysator für die größte Dämonisierung liefern würde, die jemals ein spanischer Regierungschef erlitten hat.

Mit dem Lauf der Jahre löste sich der Groll der im Bürgerkrieg Besiegten auf und die Anstrengungen, irgendein Dokument zu finden, daß die Vaterlandsliebe, die Courage, die Ehrbarkeit, die Klugheit, die Rechtschaffenheit und die Bescheidenheit Francos in ein trübes Licht stellen könnte, erwiesen sich als vergebens. Die mehr oder minder zusammenfabulierten Schmähschriften, die unter Juan Carlos I. von sozialistischen und ex-kommunistischen Schriftstellern publiziert wurden, mangeln jedweder Konsistenz und fallen dem Vergessenen anheim. Franco erweist sich als einer der vorzüglichsten Staatschefs Spaniens, weil er es innerhalb der freien Welt hielt und vor dem Grauen des Zweiten Weltkrieges bewahrte, weil er die ökonomische und soziale Europäisierung mittels einer industriellen Revolution und der Umformung des Proletariats in eine Mittelklasse verwirklichte. Die gegenwärtigen historischen Möglichkeiten Spaniens haben ihr Fundament im politischen Wirken Francos.

 

Gonzalo Fernàndez de la Mora, geb. 1924, lebt als politischer Schriftsteller und als Herausgeber der Zeitschrift "Razón Espanola" in Madrid. Er war unter Franco Minister für Öffentliche Arbeiten und später Leiter der Diplomatischen Schule. In Deutschland erschien von ihm das Buch "Der gleichmacherische Neid" (Matthes & Seitz, München 1987). Die Übersetzung des hier publizierten Textes besorgte Günter Maschke.


 
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