© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/01 09. Februar 2001

 
Rettungsring auf hoher See
Berlins Innensenator Eckart Werthebach ficht für die deutsche Sprache – und macht dabei den zweiten Schritt vor dem ersten
Moritz Schwarz

Die deutsche Sprache ist für Berlins Innensenator Eckart Werthebach (CDU) "unser Kulturgut Nummer eins". Solch ein Satz ziert und alles nickt gefällig und so könnte man ihn für eines jener schöngeistig-ungefährlichenBekenntnisse zur Tradition halten, die den Konservatismus in Deutschland zu einer Form von Nachdenklichkeit degradiert haben.

Doch Werthebach meint es ernst, er bekennt nicht nur, er handelt auch. So hat er jetzt vorgeschlagen, eine Institution zu schaffen, die wie die französische Academie Francaise streng über die Muttersprache wacht. Exzessive Fremdwörterei soll auch in Deutschland unterbunden, Anglizismen eingedeutscht und die Sprachreinheit per Gesetz überwacht werden. – Freilich der Kampf ist aller Ehren wert, doch würden solche Gesetze und Institutionen sich ganz gewiß am Zeitgeist totlaufen. Die Anglizismen, auf die es Wer-thebach besonders abgesehen hat, feiern nicht umsonst in Deutschland so beschämend Erfolg. In Frankreich funktioniert die Regelung dagegen, weil der Franzose das Französische grundsätzlich für achtenswert erachtet. Bevor die Deutschen deshalb mit ihrer Sprache versöhnt werden können, müssen sie sich mit sich selbst versöhnen, und das ist noch ein weiter Weg. Doch den richtigen Riecher hat Werthebach durchaus. Uneingestanden dürsten die Deutschen danach, daß ihr eigenes Sein Selbstachtung erfährt. Deshalb und um der Identitätslosigkeit der deutschen Verhältnisse zu entgehen, tritt Michel ja die Flucht ins Angleutsch an. Nimmt man ihm jetzt auch noch diese Seelenstütze, wird er sich ganz "entortet" fühlen – den Weg nach Hause findet er deshalb noch lange nicht.

Doch der Innensenator sieht durchaus auch praktische Gründe für seinen Vorschlag: Teile des Volkes drohten durch die Englisch-Flut, den Anschluß an Medien und Öffentlichkeit zu verlieren. Werthebachs Vorschlag ist wohl kein rettendes Eiland, aber vielleicht wenigstens ein Rettungsring auf hoher See.


 
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