© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    06/01 02. Februar 2001

 
WIRTSCHAFT
Dämliche Verbraucher
Bernd-Thomas Ramb

Die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (AGV) hat sich beschwert. Auf immer mehr Lebensmitteln sind die Angaben über Inhalt und Zusammensetzung unvollständig oder unleserlich. Bei kleinen Schrifttypen hilft sogar der Griff zur Lupe nicht, wenn bei einer Schokoladentafel mit goldenen Lettern auf Silberpapier die Ingredienzien erläutert werden. Formal wird dem EU-Recht Genüge geleistet. Das fordert, die Angaben "an gut sichtbarer Stelle in deutscher Sprache, leicht verständlich, deutlich lesbar und unverwischbar" zu plazieren. Doch was heißt "deutlich lesbar"? Schriftart,Typengröße, Farbe und Kontrast sind der freien Interpretation ausgeliefert.

Die Lebensmittelbranche wehrt sich gegen die Vorwürfe der Verbraucherschützer mit aberwitzigen, überwiegend aber unverschämten Argumenten. So wird fürsorglich begründet, die Verbraucher würden mit einer Fülle von Informationen überschwemmt, die sie kaum verständen. Nur einer von 10.000 Kunden sei in der Lage, die Liste der Zutaten vollständig zu begreifen. Und die, so der Chef des Spitzenverbands Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde, könnten sich die Informationen auch aus dem Internet oder an den Informationsständen der Supermärkte besorgen. Zum Lesen des Beipackzettels eines Arzneimittels sind die Verbraucher anscheinend nicht zu dämlich. Dort ist peinlich genau vorgeschrieben, welche Lesbarkeitsanforderungen erfüllt sein müssen. Vielleicht hilft gegen die impertinente Ignoranz der Lebensmittelindustrie eine durchaus begründete Klage auf Vergleichbarkeit von Lebens- und Arzneimitteln. Wegen der Risiken und Nebenwirkungen des Verzehrs sollten dann aber nicht die Lebensmittelfunktionäre, sondern doch besser die Verbraucherschützer befragt werden.


 
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