© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    06/01 02. Februar 2001

 
"Ja, es gibt kritische Reaktionen"
Pressefreiheit: Ein Gespräch mit dem Sprecher der Postbank, Joachim Strunk, über die Kündigung des JF-Kontos
(JF)

In einem Interview für das CDU-nahe Deutschland-Magazin hat sich der Sprecher der Postbank, Joachim Strunk, zu den Gründen der Kündigung des Kontos der JUNGEN FREIHEIT geäußert. Wir dokumentieren dieses Gespräch, weil es authentisch darstellt, in welcher Art und Weise die Postbank ihre skandalöse Kontenkündigung zu rechtfertigen versucht:

Die Postbank AG hat der Wochenzeitung JUNGE FREIHEIT das Hauptgeschäftskonto gekündigt. Kannten Sie die JUNGE FREIHEIT vorher überhaupt?

Strunk: Teilweise. Wir prüfen aber nicht einzelne Blätter und gehen da in eine Exegese der Texte, sondern für uns war entscheidend, daß die JF sowohl 1998 als auch 1999 im Verfassungsschutzbericht erwähnt war, dementsprechend, daß dort gesagt wurde, daß solche Blätter, insbesondere die JF, dazu beitragen, daß die Linie, oder die Grenze zwischen konservativ und, na, ich sag mal, rechtsextrem verwischt wird. Insbesondere wurde hervorgehoben, daß in der JF sowohl in- als auch ausländische Rechtsextremisten schreiben, neben durchaus als demokratisch anerkannten Persönlichkeiten.

Wissen Sie, wer alles zu den Autoren zählt?

Strunk: Ich kenne eine Reihe der Autoren, aber wir sind nicht in eine Einzelfallprüfung eingestiegen. Das Kriterium war der Verfassungsschutzbericht.

Im Internet gibt es eine Liste der Autoren ...

Strunk: Kenn‘ ich, kenn‘ ich ...

Ziemlich viele Unions-Politiker darunter. Halten Sie den Vorwurf weiter aufrecht, die JUNGE FREIHEIT sei eine "extreme Organisation"?

Strunk: Diese Leute fallen mit Sicherheit nicht in die Kategorie "rechtsextrem". Aber es gibt auch andere. Wir haben nicht die einzelnen Autoren bewertet.

Der Verfassungsschutz beobachtet auch die SED-Nachfolgepartei PDS. Werden Sie jetzt auch PDS-Konten kündigen?

Strunk: Dazu werde ich keine Auskunft geben, weil das unter das Bankgeheimnis fällt. Bei der JF ist das anders, weil sie selbst damit an die Öffentlichkeit gegangen ist. Ansonsten geben wir keine Auskunft darüber, welchen Organisationen oder Privatpersonen wir Kontokündigungen aussprechen.

Aber grundsätzlich werden Sie jedem, der im Verfassungsschutzbericht erwähnt wird, das Konto kündigen.

Strunk: Ja Ja.

Dann kann man daraus schließen, daß Sie also auch PDS-Konten kündigen werden?

Strunk: Dieser Schluß ist jetzt Ihre Sache, wir haben aber von vornherein gesagt, wir sind nicht auf einem Auge blind, sondern werden allen extremen Organisationen und Parteien kündigen.

Wann ist die Entscheidung der Kontokündigung gefallen?

Strunk: Die Entscheidung ist im Spätsommer letzten Jahres gefallen, als wir uns, na ich sag mal, verpflichtet fühlten, auch als Unternehmen, als Bank, ein Zeichen zu setzen innerhalb dieser Diskussion, die da aufgekommen ist, gegen Ausländerhaß gegen Gewalt und für Demokratie. Gerade als große Bank mit zehn Millionen Kunden sind wir da aufgefordert, zu handeln und nicht nur zu reden.

Wer hat den Anstoß gegeben? Sind bestimmte Leute herangetreten an Sie in dieser Sache?

Strunk: Es gab ein paar Dinge, die uns erstmalig darauf aufmerksam gemacht haben, daß wir solche Kunden haben. Natürlich forsten wir bei zehn Millionen Kunden nicht jeden Tag unseren Bestand durch. Wir hatten beispielsweise ein als Privatkonto geführtes umfunktioniertes Spenden- und Solidaritätskonto für einen inhaftierten Neonazi. Da sind wir darauf gekommen, daß da was schlummert. Wir können nicht ständig Einzelfälle bewerten, deshalb wollen wir eine klare Linie anhand des Verfassungsschutzberichtes fahren.

Gab es eine Einflußnahme der Politik in dieser Frage, etwa der Bundesregierung?

Strunk: Nein, im Gegenteil. Wir hatten sogar SPD-Ortsverbände, die Kritik übten, daß diese Maßnahme einseitig ausgelegt werden könne.

Stimmt es, daß die Postbank zwar privatisiert, jedoch zu 100 Prozent in Staatsbesitz ist?

Strunk: Wir sind eine hundertprozentige Tochter der Deutschen Post, die wiederum zu einem Teil an der Börse notiert ist.

Wie hoch ist dieser Anteil?

Strunk: Da bin ich jetzt, ehrlich gesagt, überfragt.

Sitzen Vertreter der Bundesregierung oder politischer Parteien im Aufsichtsrat?

Strunk: Nein.

Überhaupt keine Politiker?

Strunk: Der Fairness halber müßte man sagen: einige Ex-Politiker. Das spielt aber keine Rolle, denn es war eine Vorstandsentscheidung.

Gab es schon Reaktionen auf die Kündigung des Kontos der JUNGE FREIHEIT ?

Strunk: Ja, die gab es. Und ich muß fast sagen, leider etwas einseitig, nämlich Kritik.

Von Medien?

Strunk: Ja. Und auch von Kunden, die einen Abzug von Konten angekündigt haben.

Werden Sie auch Lesern oder Abonnenten der JUNGE FREIHEIT Konten kündigen?

Strunk: Natürlich nicht. Wir werden definitiv nicht Gesinnungsschnüffelei betreiben. Wir werden Privatleute nicht nach ihrer politischen Meinung beurteilen. Das steht uns nicht zu, und das wollen wir auch nicht.

Der Journalistenverband Berlin hat die Kontokündigung als einen "Angriff auf die Pressefreiheit" bezeichnet. Wie beurteilen Sie das?

Strunk: Das geht ziemlich an der Sache vorbei. Zum einen: Wir haben dem Verlag gekündigt und nicht der Zeitung. Es gibt in Deutschland 3.500 Banken. Da dürfte es ein leichtes sein für die JF oder den Verlag, eine andere Bank zu finden.

Der Geschäftsführer der JUNGEN FREIHEIT hat einen massenhaften Protest angekündigt. Befürchten Sie einen geschäftlichen Schaden?

Strunk: Das können wir nicht ausschließen. Das haben wir aber auch von Anfang an mit einkalkuliert. Es geht hier auch nicht um eine geschäftliche oder finanzielle Geschichte, sondern es sollte ein Zeichen in der Diskussion sein. Der Schaden durch verlorene Kunden hat begonnen, ist aber nicht ausschlaggebend.

Gab es denn schon Kündigungen?

Strunk: Im Moment können wir das noch nicht überblicken, aber es gab schon Schreiben von Kunden, die damit gedroht haben, ihr Konto abzuziehen.

Journalisten, Politiker und Wissenschaftler werden in Kürze einen Appell für die Pressefreiheit verabschieden. Wie sieht die Postbank dem entgegen?

Strunk: Wir werden das natürlich beobachten, aber dennoch: Die Entscheidung steht. Man sollte das ganze wohl mal ein wenig relativieren. Wir reden hier über eine Kontokündigung und nicht über etwas in den Bereich des Dramatischen hereinragendes. Nochmal: Pressefreiheit ist überhaupt nicht tangiert, denn das Blatt kann weiterhin existieren und schreiben, allerdings mit einer anderen Bankverbindung. Das ist eine Geschichte, die jeden Tag zigtausend Mal in Deutschland passiert, daß ein Konto gekündigt wird. Auf der anderen Seite, vor Gericht hat etwa die NPD argumentiert, das sei ein Eingriff in die politische Freiheit. Die Gerichte haben das allerdings zurückgewiesen und die Vertragsfreiheit gelten lassen.

Obwohl die Postbank mehrheitlich in Staatsbesitz ist?

Strunk: Ich habe das schon vorher erklärt. Unser Eigentümer ist die Deutsche Post AG. Punkt. Was dahinter passiert, ist völlig unerheblich.

 

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