© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    06/01 02. Februar 2001

 
Ein netter Hanseat
Hamburg: Parteitag der "Schill-Partei" scheiterte bei Namensänderung / Avancen des CDU-Kandidaten
Hartmut Untau

Die Verunsicherung unter Hamburgs Politfürsten über die neue Partei des kaltgestellten Amtsrichters Ronald Schill hat vergangenes Wochenende einen kräftigen Schub erhalten. Am Sonntag versammelten sich Schills in der "Partei Rechtstaatlicher Offensive" zusammengeschlossenen Anhänger zum Programmparteitag im Norden der Hansestadt.

Zunächst hatten die 340 Stimmberechtigten unter den rund 400 Anwesenden eine formale Nuß zu knacken. Bolko Hoffmann hatte als Führer der Pro-DM-"Partei" aus dem fernen Düsseldorf die Verwendung des Kürzels "P.R.O." per einstweiliger Verfügung verbieten lassen. Deshalb sollte nun ein Bundesparteitag ein neues Kürzel beschließen.

Dies aber scheiterte, da laut Satzung mindestens die Hälfte aller Mitglieder anwesend sein mußten, damit ein "Bundesparteitag" beschlußfähig ist. Dieses Quorum wurde um gut 30 Köpfe verfehlt. Nach der Panne mit dem "Bundesparteitag" will sich die Partei nun in einigen Tagen noch einmal versammeln. Eine Übergangslösung für die Zeit bis zu den Bürgerschaftswahlen am 23. September 2001 wurde trotzdem schon einmal vorgestellt, um ein Meinungsbild zu erlangen: Ein Kürzel soll nun gar nicht mehr verwendet werden, nur auf dem Wahlzettel soll neben dem vollen Parteinamen anstelle eines Kurznamens schlicht "Schill" stehen.

Mögliche Kritik, dies könne als Personenkult erscheinen, wiesen führende Vertreter einhellig zurück. Der Ablauf des Parteitages gab ihnen vor allem atmosphärisch recht: So fehlten jegliche Huldigungseinlagen, die in anderen – großen wie kleinsten – Parteien längst zum peinlichen Usus gehören. Etwa eifriger Applaus und entzückte Ausrufe, wenn der große Chef das Plenum nebst Gefolge betritt, besser: bühnenwirksam durchschreitet. Schill war einfach irgendwann auch da, ohne daß dies die nüchternen Hanseaten mehr zu beeindrucken schien als das Auftauchen eines netten Bekannten.

Auch sonst ging alles recht kühl-norddeutsch zu. Beifälle vielen oft kräftig aus, doch dramatische Gefühlsaufwallungen fehlten ebenso wie lästige Freizeitvolksredner, die ihre Sicht zur Vaterlandsrettung unbedingt auf Kosten von Zeit und Zuhörer verbreiten mußten – zu schweigen von den sattsam bekannten, rotköpfigen Zwischenrufern.

Die etablierten Hamburger Parteien nehmen die zunächst belächelte neue Konkurrenz mittlerweile bitterernst. Schon der rapide Zulauf der erst im vergangenen Sommer gegründeten Gruppierung bereitet Sorgen. 740 Mitglieder zählt Ronald Schill, fast alle aus Hamburg – "und jeden Monat kommen bislang rund 100 dazu".

CDU-Spitzenkandidat Ole von Beust trat nun die Flucht nach vorn an und erwählte Schills Partei überraschend zum möglichen Koalitionspartner. Ein Novum: Die "Rechtsstaatler" stehen mit ihren Schwerpunktthemen wie Innere Sicherheit, Ausländerkriminalität und Ausländerrecht eindeutig rechts von der CDU. Bisher war es Dogma in der Union, alle derartigen Regungen in die rechtsradikale Ecke zu schubsen und dort zu versenken.

Offenbar gelingt dies an der Alster nicht mehr. Bei einem guten Dutzend Veranstaltungen konnte die Schill-Partei jeweils mehrere hundert Zuhörer anlocken. Spitze: Der Problemstadtteil Wilhelmsburg, wo nach Schills Angaben rund 600 Menschen zu einem Diskussionsabend mit ihm strömten.

"Ein fataler Fehler", "peinlich" sei Beusts Angebot an Schill, gifteten Grüne und SPD. Er mache einen "Rechtspopulisten hoffähig", schimpft Grünen-Sprecher Kurt Edler.

Indes streute CDU-Spitzenmann Beust Koalitionsavancen auch gleich in Richtung Grüne, FDP und "Statt Partei". Er muß jetzt Bürgermeister werden, spürt Beust, sonst ist der Zug für ihn abgefahren. Die Septemberwahl im kleinen Stadtstaat an der Elbe könnte nicht nur landespolitisch interessant werden.


 
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