© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    05/01 26. Januar 2001

 
Zeitschriftenkritik: Orient-Journal
Die andere Moderne
Werner Norden

Das Deutsche Orient-Institut in Hamburg gibt seit Herbst 2000 die zweimal jährlich erscheinende Zeitschrift Orient-Journal heraus. Als Chefredakteur fungiert der Leiter des Instituts, Udo Steinbach. Er weist in seinem Begleitbrief darauf hin, daß die Zeitschrift kein weiteres Forum der wissenschaftlichen Aufarbeitung aktueller Ereignisse im Raum zwischen Nordafrika und Zentralasien darstellen soll. Ihr Ziel sei vielmehr in erster Linie, langfristige Entwicklungstendenzen aufzuzeigen und zur Diskussion zu stellen, um auf diese Weise einen Beitrag zum Verständnis vielschichtiger politischer, wirtschaftlicher und kulturpolitischer Tatbestände und Zusammenhänge zu leisten. Dabei hofft man auf Beiträge aus dem wissenschaftlichen Umfeld sowie seitens kompetenter Autoren mit praxisnaher Erfahrung.

Das Schwerpunktthema der ersten Ausgabe lautet "Globalisierung in der islamischen Welt", wobei dem Leser ein fundierter Einblick gewährt wird in die besonderen politischen, kulturellen und ökonomischen Globalisierungsprozesse im Nahen und Mittleren Osten. So geht man beispielsweise den Fragen nach, ob nun die Strukturen der politischen Herrschaft am Golf erschüttert werden, was die dortigen nationalen Volkswirtschaften leisten können und müssen, um im Globalisierungswettbewerb bestehen zu können, und wie die verschiedenartigen Diskurse zu verstehen sind, mit denen die islamischen Staaten und ihre Völker der Globalisierungswelle begegnen. Klar ist dabei zumindest, daß es auch hier auf Dauer keine gesellschaftlichen oder geographischen Nischen geben wird, die von diesen Veränderunsgprozessen verschont bleiben.

Andererseits wurden zum Beispiel mit der islamischen Revolution im Iran vor über zwei Jahrzehnten die Brücken zu einem Westen abgebrochen, den man nicht mehr länger als geistiges und politisches Entwicklungskonzept akzeptieren wollte. Diese eigene islamische Identität wird aber heute bereits von vielen nationalistischen oder religiös verwurzelten Führern in der Region des Nahen Ostens als Leitmotiv politischen Handelns gegen die Globalisierung, die als "kultureller Kreuzzug des Westens" verstanden wird, propagiert. Es gilt hier das Eigene, Authentische, Traditionelle, Lokale zu bewahren und das Fremde zurückzuweisen, was besonders deutlich zum Ausdruck kommt in der Arabisierungspolitik der Maghrebstaaten. Gleichzeitig sind jedoch vor allem im kulturellen Sektor die Auswirkungen der Globalisierung zu spüren.

Dagegen steht eine Art "Gegenglobalisierung", die gekoppelt mit genuin islamischen Werten wie "Gerechtigkeit, Genügsamkeit, Egalitarismus, Glauben, Geduld, Augenmaß und Ausgleich", der westlichen Moderne eine alternative Konstruktion der Moderne gegenüberstellt, die vor allem die nicht-materialistische Dimension des Fortschritts hervorhebt. Welches dieser beiden Konzepte schließlich den Sieg davontragen wird, ist noch nicht zu sagen.

Anschrift: LIT-Verlag, Grevener Str. 179, 48159 Münster. Jahresabo: 12 Mark


 
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