© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    05/01 26. Januar 2001

 
"Das ist ein antifaschistischer Kindergarten"
Parteien: Der FPÖ-Politiker Peter Sichrovsky sprach auf einer Veranstaltung der Deutschen Partei in Berlin
Jörg Fischer

Als sich vergangenen Donnerstagabend der vor kurzem neu gegründete Landesverband Ber-lin-Brandenburg der Deutschen Partei traf, waren nicht nur Mitglieder und Sympathisanten dabei: Auch etwa dreißig junge Leute ließen sich nicht von den Minusgraden abschrecken und kamen ebenfalls zum "fedi’s", einem Lokal im südwestlichen Berliner Nobelbezirk Zehlendorf – um, laut Flugblatt, "praktische Zivilcourage" zu zeigen.

Die war nach Ansicht der Berliner Jungsozialisten und des Verbandes "JungdemokratInnen/Junge Linke" nötig, um der "Diskussion rechtsextremer Strategien" im wahrsten Sinne des Wortes keinen Raum zu geben: Sie blockierten den Lokaleingang und wollten auch den Gastredner des Abends, den FPÖ-Europaparlamentarier Peter Sichrovsky, zunächst nicht einlassen. "Das ist ein antifaschistischer Kindergarten", meinte der Wiener Politiker, andere Gäste waren deutlicher: "Damals die Hitlerjugend, heute ihr!" protestierte ein älterer Herr . Doch es half nichts, erst die in acht Fahrzeugen herbeigeeilte Polizei konnte den – überwiegend adrett gekleideten – "Sperriegel" auflösen; die Beamten drohten mit einer Nötigungsklage.

Gegen halb acht konnte dann der FPÖ-Generalsekretär für Außenpolitik endlich mit seinem Vortrag über "Hysterie in und um Österreich" beginnen, der auf einer Rede basierte, die er Ende vergangenen Jahres an der Universität Oxford hielt (dokumentiert in JF 50/00). Im Anschluß daran begann dann eine äußerst interessante Diskussion – denn im Gegensatz zu den Blockierern waren die "Hinterzimmerrassisten" (Flugblattjargon) der Deutschen Partei bereit, auch einige der anwesenden jungen Linken zu Wort kommen zu lassen. Und nach einer kurzen Diskussion, ob es richtig sei, überhaupt mit "Nadelstreifenfaschisten" in einen Dialog zu treten, kam dann doch ein gutes Dutzend von ihnen mit in den Vereinsraum des Lokals – und senkte so den Altersdurchschnitt der Gäste beträchtlich.

Gleich zu Anfang trat ein – sichtlich aufgeregter – etwa 18jähriger in einem schwarzen Kapuzenpulli ans Mikrophon und gab mühsam die Rassismus-Vorwürfe des Flugblattes an die Adresse der FPÖ wieder. Als Sichrovsky daraufhin eine SPD-Zeitschrift zitierte, die ihn als "Hofjuden" titulierte, blieb der junge Mann die kommenden anderthalb Stunden still. Öfter zu Wort meldete sich hingegen eine junge brünette Brillenträgerin, die zunächst ebenfalls sichtlich nervös polemisierte, wieso denn die Vorwürfe gegen die FPÖ falsch seien.

Als der 43jährige FPÖ-Politiker ihr daraufhin unter anderem etwas über die EU-weit vorbildliche Minderheitenpolitik in Kärnten berichtete, ließ sie nicht locker und fragte später, wann denn endlich die Ausländer in Österreich zu Inländern würden und wie es um die Wiener Asylpolitik stände. Sichrovsky belehrte sie daraufhin, daß sein Land nicht nur 1956 nach dem Ungarn-Aufstand und dem Ende der "Prager Frühlings" Hunderttausende Verfolgte aufgenommen habe, sondern auch während des Balkankonflikts anteilsmäßig die meisten Flüchtlinge aufgenommen habe. "Aber was tut man den Menschen Gutes, wenn man die Grenzen aufmacht?" fragte Sichrovsky, denn dann werde jegliche Integration von Fremden unmöglich. Und selbst als eine blonde Schwäbin der FPÖ aufgeregt vorwarf, mit ihrer "Hetze" Gewalt gegen Ausländer zu schüren, erläuterte der Wiener in sachlichem Ton, warum das Konzept der FPÖ "Integration vor Neuzuwanderung" lautet: "Moralisches Herangehen ist falsch", Problemlösungen seien gefragt. Die biete Rot-Grün in Deutschland nicht – wohl aber Blau-Schwarz in Österreich, denn in seiner Heimat gebe es keine alltägliche Gewalt gegen Ausländer.

Zu vielen Themen wurde der Gast aus Wien befragt, und einige Male war Erstaunliches zu erfahren: Etwa als er von einem inoffiziellen Israel-Besuch zusammen mit seinem Parteikollegen, dem erst 37jährigen Verteidigungsminister Herbert Scheibner, berichtete. Als die Wiener Delegation – die bei der Freilassung von drei israelischen Soldaten aus irakischer Haft eine Vermittlerrolle spielte – das Büro des Vize-Verteidigungsministers Ephraim Sneh verließ, begegneten sie dem Verteidigungsminister Rudolf Scharping, der allerdings die Österreicher nicht erkannte. Als Sne dem SPD-Genossen dann mitteilte, wer zuvor bei ihm war, soll der Deutsche einen ganz undiplomatischen "hysterischen Wutanfall" bekommen haben. Scharping soll dem israelischen Sozialdemokraten vorgehalten haben, daß es unerträglich sei, mit diesen "Rechtsradikalen" zu reden. Doch die Österreich-Phobie des Ex-SPD-Chefs wäre kein Einzelfall: Anläßlich des Kosovo-Besuches von Minister Scheibner soll Scharping seinen Offizieren "verboten" haben, den Österreicher zu grüßen oder gar mit ihm zu sprechen.

Daß aber auch in Österreich die political correctness grassiert, erläuterte Sichrovsky am Beispiel eines Wiener Musikers, der jahrelang "Zigeunermusik" in einem Kaffeehaus spielte: Der hatte sich bei dem FPÖ-Politiker darüber beschwert, daß ihm die Behörden verbieten wollen, weiter als Zigeuner aufzutreten, denn das hieße heute "Sinti und Roma". Doch er wolle weiter ein Zigeuner sein – so nah können sich manchmal Wien und Berlin sein.

Über die Deutsche Partei – deren Wurzeln bis in das Jahr 1866 zurückgehen und die sich daher als die älteste Partei Deutschlands betrachtet – wurde nur am Rande gesprochen. Sichrovsky sagte, die FPÖ könne den deutschen Konservativen nicht beim Aufbau einer starken Partei helfen, denn die Rettung aus Österreich sei ja "schon einmal schiefgegangen". Er gab aber den Zuhörern – die sich zum Großteil aus Mitgliedern des aufgelösten Bund Freier Bürger rekrutierten – mit auf den Weg, daß der PDS nun mal mehr "erlaubt" sei als Rechten und Konservativen. Das könne man bedauern, aber so sei es nun einmal. Wenn eine Partei "rechts" der CDU erfolgreich sein wolle, müsse man bestimmte Tabus beachten, die "Empfindlichkeit gegen Rechts" sei nun mal höher – denn es gebe ein "Trauma" wegen des Zweiten Weltkrieges. Die FPÖ habe sich von Extremisten abgegrenzt – und sei deshalb erfolgreich geworden.

Als dann ein älterer Zuhörer sich über die deutschen Medien beklagte, da diese unfair über alles Konservative und Rechte berichten, entgegnete der Mitbegründer der Wiener Tageszeitung Der Standard: "Die stärkste Unterstützung für die FPÖ war die negative Presse." Ob das auch für Deutschland zutrifft, ließ Sichrovsky offen, vielleicht hat er sogar recht, denn immerhin war er einige Jahre auch Auslandskorrespondent für die Süddeutsche Zeitung und den Hamburger Stern.

Zum Ende der Veranstaltung wurde es gar versöhnlich: Ein Organisator des Protestes bedankte sich bei Peter Sichrovsky persönlich, daß er und einige seiner Mitstreiterinnen an der "interessanten Veranstaltung" teilnehmen durften. Vielleicht verzichten zumindest sie nun auf den angekündigten "Boykott" des "fedi’s". Übrigens: Nur einmal ließ ein Pärchen die Protestkultur der siebziger Jahre aufleben: Sie verließen mitten in der Diskussion den Saal und klapperten dabei demonstrativ mit den metallbeschlagenen Riemen des mitgeführten Rucksacks.


 
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