© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    05/01 26. Januar 2001


LOCKERUNGSÜBUNGEN
Danke
Karl Heinzen

Mitfühlend ist ein Konservatismus, der berücksichtigt, daß die meisten Menschen zwar nicht wohlhabend, aber wahlberechtigt sind. Er ist vielleicht, wie das Beispiel George W. Bush nahelegt, kein geeignetes Instrument, um Mehrheiten hinter sich zu bringen. Er kann aber jenen, die etwas besseres mit ihrem Geld anzufangen wissen, als ausgerechnet Steuern zu zahlen, das gute Gefühl vermitteln, daß ein Verzicht auf Sozialpolitik nicht unsozial sein muß, wenn es Menschen mit Herz sind, denen er im Zuge einer abflauenden Umver- teilung zugute kommt.

Der Gedankengang ist nach knapp zwei Jahrzehnten neoliberaler Massenindoktrination nicht bloß nachvollziehbar, sondern auch einleuchtend: Der dumme Staat scheitert sogar dort, wo er als Dienstleister für die Nutznießer der freien Marktwirtschaft ein bezahlbares Netz für ihre Opfer spannen möchte. Mehr und mehr macht er es sei- nen halbherzigen Verteidigern schwer, von ureigensten Staatsaufgaben zu sprechen.

Sozialpolitik führt zu ineffizienten Ergebnissen, weil die demokratischen Mechanismen der Entscheidungsfindung die wahren Präferenzen der Wähler nicht enthüllen. Das Ergebnis ist nicht allein eine tendentielle Überversorgung der Bedürftigen, die am Markt unvorstellbar wäre: Politik verführt die Menschen dazu, sich hinter dem Staat zu verstecken, anstatt das Schicksal in die eigene Hand zu nehmen. Anders in einer Gesellschaft, in der sich der Bettel ohne die öffentliche Hand als Makler frei zwischen Almosengebern und Almosenempfängern entfalten kann. Hier sind die Kreativität und die Leistungsbereitschaft jedes Bedürftigen gefragt, sich so zu positionieren, daß möglichst viel Umsätze erzielt werden. Während die öffentliche Bürokratie eher dazu einlädt zu fordern, wollen die privaten Vermögen gebeten und überzeugt werden. Für die Betroffenen auf der Nehmerseite ist dies eine bessere Schule der Marktwirtschaft als es staatlich aufgelegte Bildungsprogramme je sein könnten: Wer lernt, sich selbst und sein Anliegen im Wettbewerb um Spenden zu vermarkten, erwirbt eine Basisqualifikation für den Aufstieg in die heiß begehrten Niedriglohnsegmente. So mancher wird vielleicht sogar den Eindruck gewinnen, daß das Leben in der Verant- wortungslosigkeit abhängiger Be- schäftigungsverhältnisse bequemer ist, als als Almosenempfänger auf eigenen Füßen zu stehen.

Nicht zu vernachlässigen ist natürlich auch der Nutzen, den die Geberseite aus einer Privatisierung der sozialen Fürsorge zieht. Ihr Image steigt bei niedrigeren Kosten: Während Steuerleistungen – und seien sie noch so hoch – aufgrund mangelnder Freiwilligkeit keine Würdigung der Öffentlichkeit erfahren, gelten Spenden zu guten Zwecken – und seien sie noch so gering – als Ausweis honoriger Gesinnung. Vor allem die Umgangsformen zwischen Arm und Reich wird der mitfühlende Konservatismus verbessern, wenn sich der Staat zurückzieht und die Anonymität ein Ende hat. "Bitte!" und "Danke!" werden das freche Vokabular der Sozialpolitik ersetzen.


 
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