© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    05/01 26. Januar 2001


Mut in Preßburg
von Gustav Domberg

Daß die "sudetendeutsche Frage" – die Massenvertreibung aus der Tschechoslowakei – durch Versöhnungs- und Verzichtsrhetorik sowie durch Historikerkommissionen gelöst werden könne, gehört zu den Illusionen der political correctness. In Wirklichkeit läßt sich Geschichte nicht einfach zur Seite schieben und ignorieren.

Das mag der slowakische Präsident Rudolf Schuster empfunden haben, als er in einer Botschaft an die Sudetendeutsche Akademie die Vertreibung der Karpatendeutschen aus der Slowakei nach 1945 als "tragischen Irrtum" und "menschliche Tragödie" bezeichnete. Wörtlich sagte der Präsident (der karpatendeutscher Herkunft ist): "Meiner Meinung nach genügt es nicht, daß sich die Länder, aus denen die Bürger deutscher Nationalität gewaltsam ausgesiedelt wurden, gelegentlich dafür entschuldigen, sondern sie sollten lernen, ihre Schuld zuzugeben." Die Zivilcourage, ja der politische Mut Schusters verdient hohen Respekt – denn der Slowake geriet sofort unter heftiges Feuer von tschechischer Seite, die ihm vorwarf, eine Revision der Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges zu fordern.

In Wirklichkeit liegen die Dinge entweder viel einfacher – oder viel komplizierter, je nach Standpunkt. Während das deutsch-tschechische Verhältnis seit Jahrhunderten von Komplexen und sogar Haß belastet ist, treten die Slowaken dem "deutschen Problem" viel pragmatischer gegenüber. Deshalb kann Schuster wagen, was Václav Havel sich nicht traut. Wie gut, daß die Tschechoslowakei endgültig Vergangenheit ist und es eine unabhängige Slowakei gibt.


 
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