© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    04/01 19. Januar 2001

 
Meldungen

Pädagogischer Rat: Fremdheit wohl dosieren

MARBURG. In der rechten Jugendszene meint der Marburger Erziehungswissenschaftler Benno Hafeneger eine "Tendenz zur Normalisierung" erkennen zu können. In seiner Studie über Jugendcliquen, die er vor kurzem in der Evangelischen Akademie Arnoldshain/Taunus präsentierte, heißt es, daß "rechtsextreme Jugendliche", die sich in den achtziger Jahren noch als Außenseiter gesehen hätten, "heute ihre fremdenfeindlichen und rassistischen Ansichten für allgemein anerkanntes Gedankengut" hielten. Die überwiegend männlichen "Probanden" kämen in Ost und West vorwiegend aus der "Mittelschicht", hätten ein gutes Verhältnis zu ihren Eltern, verfügten über Schulabschluß und Ausbildungsplatz. Gleichwohl neigten sie zu einer auf "ethnisch und national" verengten Weltsicht, die von vielen Erwachsenen ihres Umfeldes bestätigt werde. Daher müsse man ihnen "wohl dosiert die Erfahrung von Fremdheit ermöglichen", um ihr "festgefügtes Weltbild" zu erschüttern.

 

Büchervernichtung: Kulturgut als Altpapier

BERLIN. Es gibt zweierlei Arten von Büchervernichtung: eine politisch und eine administrativ motivierte. Als vor zwei Jahren die Berliner Universitätsbibliothek (UB der FU Berlin) in Dahlem Tausende von alten Dissertationen der Papiermühle überantwortete, interessierte das niemanden. Privatpersonen, die sich anboten, Bestände zu übernehmen und so wertvolles Kulturgut vor der Vernichtung zu bewahren, beschied die UB-Leitung negativ. Ähnlich triste Erfahrungen dürfte machen, wer sich derzeit um den Bestand der Dissertationen im Archiv der Humboldt-Universität bemühen wollte. Dort steht ein Umzug von Tiergarten nach Reinickendorf an. Für dreißig Regalmeter, die die Doktorarbeiten von 1900 bis 1945 beanspruchen, die immerhin vierzig Jahre DDR überstanden, wird dann kein Platz sein.

 

Globalismus-Kritik: Die USA im Visier

HAMBURG. Dirk Bavendamms Bücher über den Anteil der USA an der Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs hatten vor zehn Jahren zu dem Eingeständnis etablierter Historiker geführt, daß man sich deutscherseits zuwenig mit F. D. Roosevelt beschäftigt habe. Bavendamm hat sich nun nach langem Schweigen zu seinem "Leibthema" zu Wort gemeldet. "Amerikanischer Globalismus" ist sein Beitrag für das Deutschlandjournal 2000 der Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft überschrieben. Verwandten Themen wenden sich Konrad Pingel ("Das Ende des Britischen Weltreichs") und der ganz auf die Globalismus-Kritik des Alt-Kanzlers Helmut Schmidt eingeschworene Unternehmer Edmund Sawall ("Das Dilemma der Weltfinanzordnung") zu. Das Journal kann per Fax (04828/962426) für fünf Mark bei der Gesellschaft bestellt werden.

 

Werte im Wandel: "Mischtyp" gefragt

STUTTGART. Markus Klein vom Kölner Zentralarchiv für Empirische Sozialforschung und Manuela Pötschke, die in Potsdam eine Professur für Sozialstrukturanalyse innehat, fragen in der Zeitschrift für Soziologie (Heft 3/00), ob es einen "Wertewandel hin zum ’reinen‘ Postmaterialismus" gebe. In ihrer Untersuchung von Wertorientierungen der westdeutschen Bevölkerung zwischen 1970 und 1997 setzen sie sich mit der These des US-Soziologen Ronald Inglehard auseinander, der eine zunehmende Orientierung an nicht-materialistischen Bedürfnissen behauptet. Mit empirischen Analysen können Klein und Pötschke belegen, daß in der BRD ein "Mischtyp" auf dem Vormarsch ist. Dabei löse sich der Materialismus sukzessive aus der Dimension konventioneller Werte (Leistung, Fleiß, Ordnung). Zugleich vollziehe sich eine Synthese mit hedonistischen Werten (Kreativität, Abenteuer, Genuß).


 
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