© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    04/01 19. Januar 2001

 
Göttliche Gnade
G.K. Chesterton: Orthodoxie
Werner Olles

Gilbert Keith Chestertons (1874–1936) literarisches Gesamtwerk umfaßt etwa hundert Bände. Mit vorbehaltlosem Optimismus und geistreichen Paradoxien attackierte der begnadete Reaktionär in brillanten Essays die führenden geistigen Köpfe seiner Zeit, Kipling, Shaw, H.G. Wells, Ibsen, als "Ketzer", so in dem gleichnamigen im vorletzten Jahr bei Eichborn wieder aufgelegten Essayband. "Heretics" erschien erstmals 1905, drei Jahre später kam die Fortsetzung "Orthodoxy" heraus, und auch hier stellt er den falschen Propheten eines von ihm als humorlos und sauertöpfisch empfundenen Rationalismus die christliche Wahrheit eines religiösen Denkens gegenüber: "Ich bin der Mann, der so kühn war, zu entdecken, was schon früher entdeckt war. Nie hat es etwas Kühneres und Hinreißenderes gegeben als Orthodoxie."

Der Sohn eines wohlhabenden protestantischen Immobilienmaklers war tief in das katholische Glaubens- und Regelsystem eingedrungen. 1922 konvertierte er schließlich, aber der Erfinder des "Father Brown", jenes kleinen, scharfsinnigen Priesterdetektivs, war nach eigenem Bekenntnis schon lange zuvor zutiefst katholisch gewesen.

Chestertons "Orthodoxie" versteht es auf geniale Weise, Informationen über den katholischen Glauben und seine geistigen Fundamente zu vermitteln. Aber es ist dennoch weit mehr als nur ein antimodernistischer Kampfruf, weil in der Apologetik des Autors eine Religion lebendig wird, die die Liebe und Barmherzigkeit Gottes und das Wirken der göttlichen Gnade feiert, ohne jeglichen Anflug von Bigotterie, intellektueller Engstirnigkeit, Düsternis oder Freudlosigkeit. Dahinter steht freilich ein einziges großes Motiv: die Heilsfrage, mit der sich auch Chesterton in der modernen Welt des Rationalismus und des Atheismus konfrontiert sieht: "Sie werden keinen zweiten Gott finden, der selbst ein Rebell war. Sie werden nur einen einzigen finden, der Ihre Einsamkeit in Worte gefaßt hat, nur eine einzige Religion, in der selbst Gott eine Sekunde lang Atheist zu sein schien." Am Ende ist sein Blick jedoch allein auf die Liebe zu Gott und den Menschen gerichtet.

 

Gilbert Keith Chesterton: Orthodoxie. Frankfurt am Main 2000, Eichborn Verlag. 308 S., geb., 49,80 Mark


 
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