© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    04/01 19. Januar 2001

 
"Wir werden alleingelassen"
Hessen: In Kassel regt sich bürgerlicher Widerstand gegen den Bau einer großen Moschee
Peter Bachmann

In einer Zeit, in der das Christentum in Deutschland eine zunehmende Bedeutungslosigkeit erfährt, zeigt sich der Islam in um so vitalerer Verfassung. Offenkundig wird diese Realität in einem Bauvorhaben, welches derzeit für die Siedlung Mattenberg des Kasseler Stadtteil Oberzwehren geplant ist. Dort soll nach den Wünschen des örtlichen türkisch-islamischen Kulturvereins eine Moschee im Großmaßstab errichtet werden.

Dem Verein steht derzeit ein Gelände von rund 5.000 Quadratmetern zur Verfügung, auf dem später einmal unter anderem ein Gebetsraum von 375 Quadratmetern mit Kuppeldach entstehen soll. Daran angeschlossen sind rund 1.000 Quadratmeter Gewerbefläche, die verschiedene Geschäfte beherbergen sollen. Hinzu kommen eine Bibliothek und diverse Gemeinschaftsräume. Schon die Computersimulation des verantwortlichen Architekten Salim Yüksel macht die beträchtlichen Dimensionen des Projekts deutlich. Mit nahem Autobahnanschluß günstig gelegen, wäre ein derartiges islamisches Kulturzentrum in der nordhessischen Region einzigartig. Herausragendes Element soll das 30 Meter hohe Minarett sein, welches auch die Türme der naheliegenden Kirchen überragen würde.

Doch in der deutschen Bevölkerung regt sich massiver Widerstand gegen dieses Bauvorhaben. Unstrittig für diese ist der Anspruch der muslimischen Einwohner auf eine Gebetsstätte. Aber die Größe des Vorhabens ruft Unbehagen hervor. Die deutschen Anwohner befürchten, daß sich mit einem derartigen Kulturzentrum ihr Stadtteil zu einem Anziehungspunkt für muslimische Zuwanderer weit über die nordhessische Region hinaus entwickelt. Die Sorge ist groß, daß mit einem weiteren Zuzug die sozialen Verhältnisse im Stadtteil kippen könnten und Ober-zwehren sich zu einem reinen Zuwandererghetto entwickelt. Schon jetzt beträgt dort der Ausländeranteil über 30 Prozent, Tendenz steigend. Das größte Kontingent der Ausländer im Stadtteil stellen die Türken. Das Zusammenleben mit den türkischen Nachbarn wird von deutschen Einwohnern als problematisch beschrieben, eher als ein Nebeneinander als ein Miteinander. Schon jetzt würde systematisch von der türkischen Einwohnerschaft Wohnraum von den Baugenossenschaften der GWG und Wohnstatt aufgekauft; ganze Häuserzeilen befinden sich schon in türkischen Besitz. Inzwischen hat sich die türkische Gemeinde auch eine funktionierende Infrastruktur aufgebaut, am Mattenberg haben lediglich zwei Geschäfte und ein Kiosk noch deutsche Inhaber. Dieser Trend würde vermutlich mit den im islamischen Kulturzentrum angesiedelten Geschäften verstärkt werden.

Eine Befragung deutscher Einwohner, von denen sich keiner namentlich zu erkennen geben wollte, ergab, daß sich im Alltag vielfach Konflikte ergäben. Zum Beispiel würde die Hausordnung von den türkischen Mietern vielfach nicht eingehalten, die Schuhe stehen trotz schriftlicher Anweisung der Mietverwaltung im Treppenflur, was zu Geruchsbelästigungen führe. In den Waschküchen würden sogar rituelle Schächtungen vorgenommen. "Wir werden mit unseren Problemen alleingelassen", kommentiert ein alteingesessener Bewohner des Mattenberg die Untätigkeit der Genossenschaften hinsichtlich der Beschwerden.

In dieser Situation ist im September vergangenen Jahres von Anwohnern des Mattenberg spontan eine Unterschriftenaktion initiiert worden, nachdem das Bauvorhaben bekannt wurde. Mehr als dreihundert Unterzeichner schlossen sich der Forderung nach einer Informationsveranstaltung zu dem Bauvorhaben an. Diese wurde dann auch am 29. November von der Stadtverwaltung durchgeführt. Dabei gelang es dem türkisch-islamischen Kulturverein, seine Anhängerschaft eindrucksvoll zu mobilisieren. Trotz der souveränen Moderation durch den Stadtbaurat Bernd Streitberger (CDU) gelang es aber nicht, die Befürchtungen der deutschen Bevölkerung hinsichtlich der sozialen Folgen des Projektes zu zerstreuen. So kam es zu einer weiteren Unterschriftenaktion, die dieses Mal die Verhinderung des Neubaus zum Ziel hatte. Auch diese konnte mit mehr als dreihundert Unterzeichnern als Erfolg gebucht werden.

Der Unmut der Anwohner richtet sich insbesondere gegen den Ortsvorsteher Eberhard Fedon. Der SPD-Politiker unterstellte öffentlich in einer Sitzung des Runden Tisches in offenkundiger Verkennung der Ängste in der Bevölkerung den Protesten ausländerfeindliche und rechtsradikale Motive.

Das Projekt ist derzeit noch als Bauvoranfrage in der Bearbeitung der Kasseler Stadtverwaltung, wo es einzig nach bautechnischen Kriterien geprüft wird. Sollte der Antrag positiv beschieden werden, ist kein Einspruch mehr möglich. Scheitern könnte es in dieser Phase lediglich durch die Verkehrssituation in Oberzwehren. Diese ist nach Angaben von Anwohnern schon jetzt nur noch schwer erträglich. Den durch das Kulturzentrum zusätzlich hinzukommenden Verkehr würde der Stadtteil nicht mehr vertragen.

Inzwischen zeigt der Bürgerprotest Wirkung. Die SPD, die in Kassel in einer großen Koalition mit der CDU regiert, sieht bei der Kommunalwahl am 18. März ihre jahrzehntelange Hochburg im Stadtteil gefährdet und versucht nun auf die Linie des Bürgerwillens einzulenken. In einer am 9. Januar in der Lokalpresse veröffentlichten Mitteilung erklärte Ortsvorsteher Fedon, daß das Projekt nur im Einvernehmen mit der Bevölkerung gebaut werden solle. Als Kompromiß schlug er eine Reduzierung des Bauvorhabens und einen Verzicht auf das Minarett vor. Baudezernent Streitberger forderte er auf, nicht allein nach baurechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden, sondern die Befürchtungen der Bevölkerung zu berücksichtigen. Trotz dieser Kehrtwende hat die CDU als einzig ernst zunehmende Opposition im Stadtteil immer noch alle Chancen, die Mehrheitsverhältnisse bei den Kommunalwahlen zu kippen, sollte sie in der Lage sein, sich des Bürgerprotestes glaubhaft anzunehmen.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen