© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    02/01 05. Januar 2001

 
PRO&CONTRA
Demonstrationsrecht einschränken?
Karl Hafen / Arno Felser

Die Bannmeile am ehemaligen Regierungssitz Bonn war eine politisch gescheite Einrichtung. Sie erlaubte dem Präsidenten, der Regierung, den Abgeordneten wie den übrigen Bundesbediensteten ein Arbeiten, ohne Gefahr zu laufen, für Tun oder Lassen direkt vor dem Amtsgebäude vor Bürgergruppen und Demonstranten Rechenschaft geben zu müssen. Mit Bannmeilen sollen die Gesetzgebungsorgane des Bundes und der Länder geschützt werden.

Eine so großzügige Auslegung des Art. 8, 2 Grundgesetz wie beispielsweise in Bonn führte jedoch zu der kuriosen Situation, daß sich Abgeordnete und Bedienstete quasi auf dem großen Bannmeilengelände verstecken konnten und einem Kontakt mit Bürgergruppen auszuweichen in der Lage waren, es sei denn, sie bestimmten allein den Zeitpunkt der Begegnung, das heißt, sie genehmigten einen Besuch und luden ein. Obwohl sein Amtssitz unmittelbar an der Grenze der Bannmeile lag, blieb dem Bundeskanzler der Blick auf Demonstranten durch die Bebauung erspart: das Parlamentsgebäude in der Mitte der Bannmeile war von keiner Bannmeilengrenze aus zu sehen.

Insbesondere die in den siebziger und achtziger Jahren gegen Politiker verübten Terroranschläge und die vereitelten Versuche, in die Bannmeile einzudringen und Politiker zu nötigen, geben Hinweise darauf, daß bei Abwägung kollidierender Interessen eine Bannmeile Sinn macht und daher eine zulässige und notwendige Einschränkung der Versammlungsfreiheit ist. Wo Leib und Leben derjenigen gefährdet sind, die über Wohl und Wehe unserer Gesellschaft entscheiden oder auch richten, muß eine Bannmeile gezogen werden dürfen. Die überwiegende Mehrheit der Bürger wird das akzeptieren. Die Bannmeile darf aber nicht überstrapaziert und als Mittel der Einschränkung der Versammlungsfreiheit eingesetzt werden, um eine großzügige Bewegungsfreiheit auch außerhalb der Dienstgebäude wie in Bonn zu gewährleisten.

 

Karl Hafen ist Geschäftsführender Vorsitzender der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte, Deutsche Sektion e.V.

 

 

Das in Art. 8 des Grundgesetzes (GG) garantierte Recht, sich ungehindert zu versammeln, ist ein Zeichen der Freiheit, Unabhängigkeit und Mündigkeit des selbstbewußten Bürgers. Durch die unmittelbare Öffentlichkeit von Demonstranten als Summe von Individualmeinungen ohne Zwischenschaltung von Medien und ohne Filter einer staatlich verordneten "political correctness" wird die pure Umsetzung der in Art. 5 GG formulierten Meinungsfreiheit nach außen dokumentiert.

Wer bestimmte Bereiche, etwa das Brandenburger Tor, zu Bannmeilen erklärt, höhlt das Demonstrationsrecht aus: Tabuisierte Zonen grenzen aus, diffamieren und zeigen letztlich eine Schwäche der Demokratie. Meinungsfreiheit bedeutet immer auch Minderheitsschutz, mögen die Meinungen von Minderheiten auch einmal provokant, polemisch und plakativ sein. Gerade aufsehenerregende Meinungskundgebungen sind der Motor in der geistigen Auseinandersetzung in der Demokratie. Toleranz und Liberalität im Wortsinn schließen öffentliche Kritikfähigkeit und Selbstkritik mit ein. Durch das Errichten von gesetzlichen Schutzwällen gegenüber mißliebigen Meinungen wird Bevormundung und Disziplinierung in den Rang einer vermeintlichen Rechtsstaatlichkeit erheben.

Das Demonstrationsrecht, das Verfassungsrang besitzt, wird bereits durch die geltende Gesetzgebung geschützt: Das Vermummungsverbot verhindert, daß unter dem Deckmantel des Demonstrationsrechts Straftaten wie Plünderungen oder Vandalismus begangen werden. Ebenso schließen Gewaltanwendung und Meinungsfreiheit einander aus. Schließlich ist von Demokraten um so mehr ein friedfertiges und am Versammlungsgesetz orientiertes Verhalten zu erwarten, da so Demonstrierende dadurch nur gewinnen können, während sie bei gewalttätiger Demonstration stets der monopolisierten Staatsgewalt unterliegen und damit die eigentlichen Ziele ihrer Demonstration verdunkeln würden.

 

Arno Felser ist Gymnasiallehrer sowie Stadtrat in Stendal und stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Zentrumspartei


 
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