© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    02/01 05. Januar 2001


Politische Beliebigkeit
von Jörg Fischer

Anfang der achtziger Jahre wollte der hessische SPD-Ministerpräsident Holger Börner die Grünen noch mit Dachlatten bekämpfen – nach der Wahl schloß er mit ihnen eine Koalition, in der der heutige Außenamtschef Joseph Fischer sein erstes Ministeramt antrat. Bald zwei Jahrzehnte später empfahl der CDU-Vize Jürgen Rüttgers seiner Partei, der Diskussion um schwarz-grüne Bündnisse nicht auszuweichen: "Eine Zusammenarbeit wird schneller kommen, als mancher glaubt", orakelte der NRW-Landes- und Fraktionschef Ende Dezember in der Süddeutschen Zeitung und bekräftigte damit die von CDU-General Laurenz Meyer in der Welt vertretene Ansicht, "schwarz-grüne Koalitionen auf Landesebene" nicht auszuschließen. Und Angela Merkel gab in der Spiegel-Weihnachtsausgabe dem ganzen dann den Segen: "Vielleicht ist es ja nicht nur schlecht, daß sich alte Fronten vermischen".

Droht jetzt eine "Einheitsfront" à la DDR? Einen Vorgeschmack lieferte die Berliner Großdemo vom 9. November: von PDS bis CSU, von DGB bis BDI war alles vertreten – zu Börners Zeiten unvorstellbar! Und was soll der Wähler davon halten? Welche Alternativen hat er? Wie kann er eine Teufel-Schlauch-Koalition in Stuttgart oder Merkel-Fischer-Regierung in Berlin verhindern? Einst riefen Konservative und sogar "Rechte" zur Wahl der FDP auf – um Rot-Grün zu verhindern. Das hilft nun nicht mehr – denn Rot-Gelb oder Dunkelrot-Grün-Rot wäre die Folge. Das ganze hat aber auch etwas positives: Sieht man von der CSU-seligen Insel Bayern ab, kann man nun getrost "rechts" von der CDU sein Kreuz machen – "Augen zu und CDU" gilt nun nicht mehr!


 
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