© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    51/00 15. Dezember 2000

 
Meldungen

Kirche und Synagoge zusammen ins Abseits

FRANKFURT/M. Unter heftigen Anklagen gegen die christlichen Kirchen, deren Lehre "wirkungsvolle Elemente für die Ausrottung der Juden geliefert" habe, kommentieren Kalman Yaron und Horst Dahlhaus die "Annäherung des Vatikans an das jüdische Volk und den jüdischen Staat" (Tribüne, H. 155/2000). Beide Autoren sehen Papst Johannes Paul II. auf dem Weg der "Versöhnung", machen aber starke gegenläufige Tendenzen aus. Etwa daran, daß die jüdische Orthodoxie nicht das geringste Interesse an einem "Dialog" mit der Kirche habe. Aber auch die liberalen jüdischen Richtungen, die ein Gemeinwesen vertreten, das seine arabischen Minderheiten unterdrücke, könnten Christen gegenüber nicht mehr die moralisch bequeme "Rolle des Sündenbocks" spielen. Und schließlich relativiere sich auch der Wert des "Dialogs" , da Kirche und Synagoge gefährdete Institutionen seien, deren Auftrag in der Postmoderne "bedeutungslos" erscheine.

 

Die Republikaner und das Dritte Reich

WALBERBERG. Im Dominikaner-Organ Die neue Ordnung (Heft 4/00) behandelt der im Erfurter Innenministerium tätige Politologe Harald Bergsdorf das Thema "Die ’Republikaner‘ und das ’Dritte Reich‘". Wer erwartet, daß er den aktuellen geschichtspolitischen Standort der Partei bestimmt, wird enttäuscht. Bergsdorf präsentiert nur Uralt-Material, zumeist Aussagen des Ex-Vorsitzenden Franz Schönhuber, um zu belegen, daß die NS-Zeit von REP-Protagonisten "verharmlost" werde. Mit der Wissenschaftsfreiheit nimmt Bergsdorf es dabei nicht so genau. Gereizt diktiert er, wo es gefälligst nichts mehr zu forschen geben dürfe: Unter impliziter Berufung auf das vor fast fünfzig Jahren publizierte volkspädagogische Werk des Schweizers Walther Hofer über die allein Hitler anzulastende "Entfesselung" des Zweiten Weltkrieges meint Amateurhistoriker Bergsdorf: "Daran gibt es keinen begründeten Zweifel."

 

Hoffnungen auf neuen Helsinki-Effekt

STUTTGART. In Universitas, der Zeitschrift für interdisziplinäre Wissenschaft (Nr. 653/2000), stemmt sich der grüne Bundestagsabgeordnete Gerd Poppe gegen die dominierende Skepsis in Sachen EU-Grundrechtscharta. Ähnlich wie die Fixierung der Menschenrechte in den Helsinki-Dokumenten (1975) osteuropäischen Dissidenten den "Weg nach Europa" erleichtert habe, könnte eine Grundrechtscharta zeichensetzend dazu beitragen, daß ein Verfassungspatriotismus auf europäischer Ebene keime. Wortreiche Unterstützung erfährt Poppe von Bernd Häusler. Im etwas abseitigen Organ von 8.000 hauptstädtischen Advokaten, dem Berliner Anwaltsblatt (H. 11/00), beklagt der Vizepräsident der Berliner Anwaltskammer, daß man statt einer unverbindlichen Charta keine verfassungsgebende Versammlung einberufen habe, um endlich eine europäische Verfassung zu kreieren.

 

Wiederentdeckung des Werkes von Leo Strauss

TÜBINGEN. Der Berliner PhilosophiehistorikerReinhard Mehring vermittelt in der Philosophischen Rundschau (Band 47/2000) einen Überblick über die einsetzende Rezeption des politischen Philosophen Leo Strauss (1899–1973), dessen Gesammelte Schriften seit 1996 bei Metzler in Stuttgart erscheinen. Strauss‘ Frühwerk, so Mehring, verdiene durch singuläre Thematisierung des deutsch-jüdischen Problems Beachtung, obwohl die Edition gerade hier Defizite aufweise, weil sie dessen Entstehungskontext im Berlin der zwanziger Jahre nicht ausleuchte. Doch ist schon erkennbar, welche Wege vom Anti-Historismus um 1925 zur normativen Fundierung der deutschen "Demokratiewissenschaft" um 1950 führen, zu deren Exponenten Strauss neben anderen Emigranten wie H. Arendt oder Eric Voegelin gehörte.


 
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