© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    51/00 15. Dezember 2000

 
Es steht eine Tanne in Rom
Carl Gustaf Ströhm

Unter dem Schutz italienischer Polizei ist eine große Tanne, die das Land Kärnten dem Vatikan gespendet hat, quer durch Italien bis nach Rom transportiert worden. In der Ewigen Stadt bereiten sich verschiedene Personen und Instanzen auf das "Ereignis" am 16. Dezember vor: da soll Jörg Haider in seiner Eigenschaft als Kärnter Landeshauptmann (Ministerpräsident) den Kärntner Christbaum an Papst Johannes Paul II. übergeben.

Nicht nur das vatikanische Protokoll ist für dieses Ereignis gewappnet. Auch Aktivisten aus der linken Szene und die israelitische Gemeinde bereiten sich darauf vor und wollen gegen Haider demonstrieren. Es wurde sogar – in Anlehnung an die Ausschreitungen beim Umweltgipfel – ein "zweites Seattle" angekündigt. Der Papst wurde von offizieller israelischer Seite aufgefordert, Haider nicht zu empfangen.

Nun ist Johannes Paul II. auch in seinen fortgeschrittenen Jahren nicht dazu geschaffen, sich – zudem noch plumpen – Interventionen zu beugen. Zum anderen ist zweifelhaft, ob die Überreichung einer Kärntner Weihnachtstanne auf dem römischen Petersplatz durch Haider wirklich Anlaß für "Massendemonstrationen" bietet, an denen sich nicht die Massen, sondern die immer gleichen linken Berufsdemonstranten beteiligen. Dabei ist das Ereignis selbst so unschuldig und harmlos, daß es unschuldiger und harmloser nicht sein könnte.

Der Kärntner Landeshauptmann wird den Segen des Heiligen Vaters empfangen – und danach moralisch aufgebaut und zufrieden die Heimreise antreten. Der Kärntner Christbaum aber wird in der Ewigen Stadt erstrahlen – ein alpenländischer Bote mitten im mediterranen Süden. Die Demonstranten werden ein wenig protestieren und krakeelen, daß sie aber Haiders wegen Rom auf den Kopf stellen werden, ist eher unwahrscheinlich.

Unterdessen haben in Berlin Stadt- und Bezirkspolitiker der Grünen und der SPD gefordert, Kärntner Weihnachtsbäumen ein "Einreiseverbot" nach Berlin zu erteilen – wegen Haider. Schließlich wurde doch ein Baum aus Österreich genehmigt, aber er sollte nicht aus dem "anrüchigen" Kärnten, sondern aus dem scheinbar "astreinen" Vorarlberg an der Schweizer Grenze stammen. Und statt offizieller politischer Vertreter Österreichs sollten unverfängliche Tourismus-Funktionäre den Baum übergeben.

Ein erlösendes Wort fand der CDU-Stadtrat Gerhard Lawrentz: "Die Bäume kamen bis jetzt vom österreichischen Volk, und die politischen Verhältnisse in Österreich sind mir schnurzpiepegal."


 
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