© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    51/00 15. Dezember 2000

 
UMWELT
Pendeln für die Rente
Holger Nutzinger

Klatsch, klatsch, Schenkelchen, Opa wünscht sich Enkelchen! So lautete ein sinniger Spruch der siebziger Jahre. Damals glaubte man noch, die Renten über den Bevölkerungsnachwuchs absichern zu können. Doch mit der Liebe im geparkten Auto ist es nun vorbei. Heute dürfen die Räder nicht mehr stillstehen. Jetzt muß man reimen: Drück aufs Gas, noch und nöcher, die Ökosteuer stopft Rentenlöcher. Der Clou daran ist, daß diejenigen, die auf die Idee kamen, Rentenlöcher mit der Ökosteuer zu stopfen, eigentlich aus Umweltschutzgründen gegen das Autofahren sind. Da aber das Autofahren durch den gestiegenen Ölpreis plus Ökosteuer mittlerweile so teuer ist, daß viele auf das Auto verzichten wollen, drohen heftigste Ökosteuereinkommensverluste. Das Rentenzuschußsystem ist gefährdet.

Der Trick mit der Erhöhung der Entfernungspauschale für Autofahrer bringt das ökologische Rentensystem wieder zurück in seine gleichgewichtige Schieflage. Auf diese Weise wird praktisch die Ökosteuer teilweise zurückgenommen und – so hoffen die Erfinder – der Benzinverbrauch nicht gesenkt. Zudem trifft der damit verbundene Ausfall an Einkommensteuer nicht nur den Bund, sondern auch die Länder, während der Bund die Ökosteuer weiterhin alleine abkassiert. Die Ausweiterung der Entfernungspauschale auf solche Arbeitnehmer, die nicht mit dem Auto, sondern mit Bus oder Bahn fahren, ist besonders genial. Nun kann mit der ökologischen Begründung ökonomisch erklärt werden, warum die Betreiber des ÖPNV ihre Preise erhöhen dürfen und können. Der Kunde hat mehr Geld zur Verfügung. Die Krone aber ist die Bevorzugung der größeren Entfernung. Ein Umzug Richtung Arbeitsstätte macht nun noch weniger Sinn, eher dagegen die Flucht vor dem Arbeitsplatz.


 
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