© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    51/00 15. Dezember 2000

 
Unzufrieden mit Regierung wie Opposition
Meinungsforschungsinstitut Emnid: So denken die Deutschen
Alexander Schmidt

N ach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Emnid herrscht in Deutschland kurz vor dem Jahresende eine allgemeine Unzufriedenheit mit Parteien, politischen Konzepten und der allgemeinen Lage. Diese Kritik spiegelt sich jedoch nicht in der Wahllaune der Deutschen wider. Wäre am kommenden Sonntag Bundestagswahl, käme die SPD auf 41 Prozent aller Stimmen, die Unions-Parteien blieben bei 37 Prozent. Während Bündnis90/Die Grünen bei sechs bzw. fünf Prozent lägen, würden die Liberalen voraussichtlich von sieben Prozent der Deutschen gewählt. Viele Wähler haben offensichtlich den Wunsch nach einer großen Koalition, die größte Ablehnung erfährt der kleine Koalitionspartner, die Bündnisgrünen, die man genausowenig in einer Koalition mit der Union sehen will. Dies halten 57 Prozent im Westen und 67 Prozent im Osten für ebenso inakzeptabel wie eine rot-rote Koalition.

Regierung und Opposition wird trotz der Wahlvorhersagen ein vernichtendes Urteil ausgestellt. 51 Prozent aller Befragten sind unzufrieden mit Schröders Regierungspolitik. "Auch bei der Lösung des Ausländer- und Asylantenproblems oder der Sicherung der inneren Sicherheit sowie dem Umweltschutz seien die Parteien nicht in der Lage, die anstehenden Probleme zu lösen", heißt es in den Ergebnissen der Umfrage.

Probleme, das sind vor allem der Arbeitsmarkt, die Renten- und Gesundheitspolitik und Steuern. Unterschiede zwischen den östlichen Bundesländern und dem Westen ergeben sich in der Wertigkeit. Für 82 Prozent aller Befragten in Mitteldeutschland ist der Arbeitsmarkt das Problem schlechthin, im Westen ist dies für 72 Prozent die eigene Rente.

Allein in der Frage der Stärkung der Wirtschaftskraft wird der Union mit einer relativen Mehrheit von 35 Prozent eine gewisse Kompetenz zugesprochen. Dem Lob aus der Bevölkerung für die Union (44 Prozent) steht eine Mehrheit der Befragten (55 Prozent) gegenüber, die mit den Leistungen der Oppositionspartei nicht zufrieden sind. Den Liberalen geht es mit 60 Prozent Ablehnung nicht besser.

Obwohl 44 Prozent der Deutschen die Auffassung vertreten, daß die sozial Schwachen von der rot-grünen Regierung eher benachteiligt werden, halten gleichzeitig 45 Prozent der Bürger die Sozialdemokraten für herausragend kompetent, wenn es um Fragen der sozialen Gerechtigkeit geht. Unklar ist jedoch, warum dann das bestehende Rentenkonzept bei 61 Prozent aller Befragten auf Ablehnung stößt.

Ein differenziertes Bild ergibt sich in der Beurteilung von Parteien und Politikern. 71 Prozent aller Befragten sind mit der Arbeit der Bündnisgrünen nicht zufrieden. Nichtsdestotrotz rangiert Außenminister Fischer mit 65 Prozent Zustimmung an der Spitze der Skala für gute Arbeit. Ihm folgen die Parteichefin der Union, Angela Merkel (59 Prozent), der ein Drittel aller Befragten eine Kanzlerkandidatur zutrauen, Kurt Biedenkopf (58 Prozent) und Gerhard Schröder (56 Prozent). Abgeschlagen liegt Gregor Gysi (PDS) mit immerhin 44 Prozent Zustimmung auf den letzten Rängen.

Einer EU-Erweiterung stehen die Deutschen grundsätzlich positiv gegenüber. 68 Prozent befürworteten die Aufnahme der Staaten Mittel- und Osteuropas in die Europäische Union. Lediglich Rumänien stößt bei 51 Prozent aller Befragten auf Ablehnung.

Aus persönlicher Sicht bringt die Union vor allem Nachteile, meinen 52 Prozent aller Befragten. Diese Auffassung bestimmt zu 68 Prozent vor allem das Meinungsbild in den östlichen Bundesländern. Der Euro stößt auch weiterhin bei 70 Prozent der Bevölkerung auf Ablehnung. Einen Nutzen sehen 66 Prozent allerdings für die Wirtschaft.

Überraschende Ergebnisse ergab die Umfrage beim Thema BSE. Danach haben 71 Prozent aller Deutschen das Vertrauen in unsere Landwirtschaft noch nicht verloren, fast ebenso viele fürchten nicht, an BSE zu erkranken. Gleichwohl fordern nahezu alle Deutschen, daß die Tiermehl-Fütterung rigoros verboten wird: 92 Prozent der Befragten votierten dafür.


 
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