© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    51/00 15. Dezember 2000

 
Liberale Grabenkämpfe
Parteien: Führungsquerelen in der FDP nehmen an Schärfe zu / Möllemann will Gerhardt "Abgang in Ehren" verschaffen
Alexander Schmidt

Der bei den Liberalen permanent schwelende Flügelstreit ist erneut offen ausgebrochen. Während der nordrhein-westfälische FDP-Chef Jürgen Möllemann bisher im Hintergrund seinen Einfluß ausübte, ist er jetzt zum offenen Angriff gegen die Parteiführung übergegangen. Es wird von einem Geheimtreffen zwischen ihm und den Landesvorsitzenden von Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein gesprochen. Dort habe er sich mit Walter Döring (Baden-Württemberg), Rainer Brüderle (Rheinland-Pflaz) und Wolfgang Kubiki (Schleswig-Holstein) darauf verständigt, Parteichef Wolfgang Gerhardt einen "Abgang in Ehren" auf dem kommenden Bundesparteitag zu ermöglichen. Andernfalls drohe eine Kraftprobe in Form einer Kampfabstimmung, mit der Gerhardt in die Knie gezwungen werden solle.

Neu im Kreis der Verschwörer ist auch die ehemalige Justizministerin und Parteilinke Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Sie trat spontan auf dem Landesparteitag der bayerischen FDP an und setzte sich mit einer knappen Mehrheit gegen den bodenständigen und ruhigen Landeschef Herrmann Stützer durch (die JF berichtete).

Möllemann zeigt inzwischen wieder allen Charakterzüge eines Politrambos, der sich selbst die Eigenschaften eines "Kraftwerkes" zuschreibt. Offen nennt er den Beweggrund seines Engagements: die ihm in Düsseldorf versagt gebliebene Macht will er in Berlin erobern. Rheinische Spötter necken schon lange, Möllemann befinde sich geistig sowieso nicht mehr in Düsseldorf, sondern bereits in der Hauptstadt. Deshalb hat Möllemannnicht nur seine Internetpräsenz "Werkstatt-18" entworfen, auf der große Bilder und kleine Texte für den selbsternannten Kanzlerkandidaten der FDP werben. "Das Volk will eben kunstvoll unterhalten werden, sagt Möllemann", erklärt er und tingelt landauf, landab durch die Republik. Allein in Baden-Württemberg habe er 74 Auftritte. Die Parteizentrale weiß jedoch nur von 15 Möllemann-Veranstaltungen Auskunft zu geben. Dabei ist man in der Stuttgarter Partei-Filliale gar nicht so begeistert von der unbestellten Hilfe für die Landtagswahl im kommenden März. Ob hinter dem plötzlichen Interesse Möllemanns an Baden-Württemberg nicht viel eher das Bemühen steht, den FDP-Wahlkampf durch die Hintertür zu stören? Denn immerhin würde ein ansehnlicher Sieg der Liberalen in ihrem Stammland und vielleicht auch in Rheinland-Pfalz den Glanz von Möllemanns Wahlsieg in Nordrhein-Westfalen im Mai dieses Jahres doch deutlich mindern. Sein Vorschlag, auf dem traditionellen Dreikönigstreffen in Stuttgart am 6. Januar ein "Rednerduell" zu veranstalten, wurde dankend abgelehnt und ihm keine Redeerlaubnis erteilt.

Gerhardt bezeichnete einst nicht nur Möllemanns Wahlziele, sondern den Rhein-Revoluzzer selbst als "nach oben offen". Diesen Eindruck gewinnen immer mehr außenstehende Beobachter von Möllemann. Erst kürzlich drohte der Möchtegern-Staatsmann mit seinem Rückzug aus der Politik, falls sich seine Partei nicht auf seine Wahlkampftaktik "Projekt 18" einläßt. Genauso offen gibt er aber auch bekannt, was ihn in die Bundespolitik zurücktreibt: "Entzugserscheinungen von der Bundespolitik". Er will dem "Lebensgefühl der Generation Zukunft" Rechnung tragen und versetzt so einen Seitenhieb auf Gerhardt, dem das Auftreten eines veralteten Politikertypus nachgesagt wird.

Auf Bundesebene ist man inzwischen auf Schadenbegrenzung aus. Generalsekretär Guido Westerwelle, der sich in der Leitkulturdebatte und dem Streit um das NPD-Verbot profilieren konnte, übt demonstrativ den Schulterschluß mit Gerhardt, der kürzlich mit einem besseren Ergebnis zum Fraktionsvorsitzenden wiedergewählt wurde als noch zuvor. Auf dem Treffen der FDP-Spitze mit 260 Kreisvorsitzenden in Mainz wurde erneut "Solidarität und Geschlossenheit" beschworen. Auch Döring ereilte seinem Parteifreund Möllemann einen Rüffel für dessen forsches Auftreten. "Wir waren den Freunden in Nordrhein-Westfalen gegenüber solidarisch. Ich will, daß auch der nordrhein-westfälische Vorsitzende uns gegenüber solidarisch ist und endlich die Personaldiskussionen beendet."

Doch Möllemann läßt sich’s nicht verdrießen und zielt jetzt darauf ab, Gerhardt Westerwelle abzuwerben: Der medienerfahrene Westerwelle solle in einer "Teamlösung" den Parteivorsitz übernehmen, während er – weit ausgreifend – Kanzlerkandidat werden wolle. Und von Rückzugsdrohungen, wirkungslos verpufft, ist jetzt keine Rede mehr. Tatsächlich sprechen Westerwelles ironische Kommentare abseits seiner Loyalitäts-Bekundungen eine deutliche Sprache: "Ich will Generalsekretär bleiben, bis an mein Lebensende." Deutlicher kann ein Spitzenpolitiker seine Ambitionen nicht verkünden.

Guido Westerwelle zehrt von seinem Image als Typ des netten Schwiegersohns, da paßt eine häßliche Entmachtung eben nicht ins Bild. Möllemanns Plan, zusammen mit den FDP-Landes-Granden Gerhardt halbwegs würdig loszuwerden, kann ihm also nur gefallen.


 
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