© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    50/00 08. Dezember 2000

 
Zeitschriftenkritik: Bahamas
Stellenweise originell
Werner Olles

Einen besonderen Grund, sich mit "antifaschistischen" Zeitschriftenprojekten auseinanderzusetzen, gibt es eigentlich nicht mehr, es sei denn, man wollte über die Mechanismen der politischen Klasse reflektieren, die es jederzeit mit links fertigbringt, idealistische junge Menschen, wie sie die "Antifa" ja auch einmal hervorgebracht hat, an ihre breite Brust zu drücken und durch und durch zu korrumpieren. Genau diese Auseinandersetzung findet aber derzeit in Bahamas statt, und wenn auch das intellektuelle Spektrum innerhalb der radikalen Linken ziemlich eng ist, so lohnt es sich dennoch zumindest zuzuhören, wie hier der Verlust des politischen Militantismus zugunsten einer – übrigens ziemlich durchsichtigen – Staats-Antifa-Kampagne teilweise recht originell und intelligent beklagt wird.

Denn natürlich haben die Bahamas-Linken ja recht, wenn sie die Logik der medialen Inszenierung des "Aufstandes der Anständigen" (Schröder) als "oppositionelle Kulturpartikel" einer "westdeutsch geprägten Widerstandskultur" bezeichnen, die am 1. Mai mit Jutta Ditfurth auf dem Oranienplatz beginnt und in der Regel als "volksgemeinschaftliche Aktivität von mitterechts bis linksaußen" endet. Die Linke hat also offensichtlich ihre Lektion in staatsbürgerlichem Bewußtsein gelernt, was man gemeinsam mit den Bahamas-Redakteuren bedauern könnte. Auch daß inzwischen seit Monaten eine ganze Republik, sämtliche Staatsorgane und die Medienöffentlichkeit gewissenhaft gegen eine Handvoll "Rechte" ermitteln und dies in einem Anflug anbiedernder Abgeklärtheit wechselweise als "Aufstand der Guten", "Zivilcourage" oder gar als "Netzwerk bürgerlicher Gegenwehr" ausgeben, darf man ruhigen Gewissens als "eine Kollaboration mit Deutschland" interpretieren, vorausgesetzt man gesteht dem autoritären Staats-Antifaschismus überhaupt irgendeine Legitimation zu.

Denn auch damit hat Bahamas recht: Wenn die "Zivilgesellschaft" den "Antifaschismus" für sich entdeckt, werden echte Neo-Nazis und Rechtsextremisten immer weniger überflüssig. Um der Staats-Antifa ein "moralisches Mindestniveau" zu garantieren und Schröders Antifa-Sommer als einen kampagnentauglichen Gesellschaftsentwurf zu präsentieren, bedarf es einer "Bürgerexekutive in Aktion". Und während der linkspluralistische Meinungsmarkt von Konkret und Jungle World über ARD und RTL bis zu Frankfurter Rundschau und Tagesspiegel Xenophobie und Antisemitismus leichtfertig herbeiredet, mithin "Zivilisationspropaganda" betreibt, wird die moralische Überwachung der Politik-Reste bis zum Überdruß forciert.

Bahamas wird es also nicht leicht haben, mit ihrer Kritik bis hin zu jenen "radikalen Elementen" durchzudringen, die es partout nicht verstehen wollen, daß sie nun mit dem Segen der bürgerlichen Gesellschaft immerhin ihre eigene Unterdrückung ganz individuell selbst verwalten dürfen.

Anschrift: Postfach 620628, 10796 Berlin. Erscheinungsweise alle drei bis vier Monate. Einzelpreis: 7,50 Mark, Abo für drei Ausgaben: 22,50 Mark


 
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