© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    50/00 08. Dezember 2000

 
Ein Mann will ausmisten
Parteitag: Die Partei Rechtsstaatlicher Offensive hat eine Namensänderung in "Schill-Partei" abgelehnt / Konflikt mit der Pro-DM-Partei von Bolko Hoffmann
Holger Stürenburg

Mit großer Spannung war er erwartet worden, der erste Parteitag der erst im Juli dieses Jahres gegründeten Partei Rechtsstaatlicher Offensive (PRO) des polarisierenden Hamburger Amtsrichters Ronald B. Schill. Dieser avancierte in Hamburg zunehmend zu einem wichtigen Medienereignis und wirbelte das politische Leben in der Hansestadt ziemlich durcheinander.

Nur wenige Wochen nach seiner Verurteilung zu einer Geldstrafe von 12.000 Mark wegen Rechtsbeugung im minderschweren Fall (JF berichtete) zieht Schill – als sei nichts gewesen – das Interesse der Hamburger Medien auf sich. Aber nicht nur Presse und Fernsehen interessieren sich für den charismatischen Neupolitiker. Vor allem Menschen, denen die rot-grüne Politik in Hamburg auf die Nerven geht, fühlen sich zu Schill und seiner Partei hingezogen. Schon wird der PRO im Herbst nächsten Jahres der Einzug in die Hamburger Bürgerschaft zugetraut: Eine vergangenen Freitag veröffentlichte Umfrage im Auftrag des NDR und der Welt ergab, daß sich sechs Prozent der 1.000 Befragten für die PRO aussprachen. Die seit Jahren nicht in der Bürgerschaft vertretene FDP müßte hingegen vor der Fünf-Prozent-Hürde zittern. Die wichtigsten Probleme für die Hamburger sind laut dieser Umfrage die Themen Gewalt und Kriminalität vor Arbeitslosigkeit und Verkehr.

Auf mehreren Veranstaltungen in verschiedenen Hamburger Stadtteilen sprach Schill vor bis zu 800 Gästen pro Abend. Schill gilt als menschlich und charakterlich integer, als gebildeter Analytiker mit einem hohen juristischen Fachwissen, und nach anfänglichen Schwierigkeiten inzwischen auch als guter Rhetoriker. Zahlreiche Autogrammjäger belagern Schill regelmäßig nach seinen Redeauftritten.

Nun tagten am vorvergangenen Sonntag erstmals die Mitglieder der PRO auf einem Bundesparteitag im Hamburger Bürgerhaus Wilhelmsburg, südlich der Elbe. Über 500 Mitglieder sind der Partei seit ihrer Gründung beigetreten, weit über die Hälfte davon fanden sich am frühen Nachmittag im Bürgerhaus ein. "Wir haben bereits mehr Mitglieder als die Hamburger Landesverbände von FDP und STATT Partei zusammen", freute sich der stellvertretende Bundesvorsitzende Mario Mettbach zu Beginn der fünfstündigen Veranstaltung. Der Saal war überfüllt, viele Teilnehmer mußten sogar stehen, als mit geringer Verspätung der Parteitag begann. Hauptsächlich Regularien mußten von den Mitgliedern diskutiert und abgestimmt werden. So zum Beispiel die Ernennung des Parteitagspräsidenten, zu dem der Marketingexperte Rolf G. Rutter gewählt wurde, der von der Seniorenpartei "Graue Panther" den Weg zur PRO gefunden hatte und in seiner neuen politischen Heimat unter anderem für Sozialpolitik verantwortlich ist. Eine eiligst als Tischvorlage eingereichte Satzungsänderung, nach der aufgrund der zunehmend höheren Mitgliederzahl zusätzliche Vertreter dem Bundesvorstand beigeordnet werden sollten, wurde allerdings mit Mehrheitsentscheidung auf den nächsten Parteitag am 28. Januar 2001 verschoben.

Das Schiedsgericht der Partei wurde hingegen problemlos nach den Vorschlägen des Bundesvorstands gewählt, bevor ein heikler Punkt auf der Tagesordnung stand. Der Vorsitzende der Anti-Euro-Partei PRO-DM, Bolko Hoffmann, hatte der PRO angedroht, aufgrund der Ähnlichkeit beider Parteinamen eine Klage gegen sie einzureichen. Daraufhin hatte der Vorstand unter Zeitdruck beschlossen, die Kurzform der Partei in "Schill-Partei" umzubenennen, um auf diese Weise einer Klage Hoffmanns aus dem Wege zu gehen.

Allerdings war die Personalisierung des Parteinamens mehr als nur umstritten. Schill selbst hatte zu Beginn der Auseinandersetzung nur mit Bauchschmerzen einer Änderung des Parteinamens zugestimmt; da sich auch die Basis dagegen sträubte, hatte nun der Parteitag darüber zu entscheiden. Mindestens 30 Redner traten ans Saalmikrophon, die meisten sprachen sich eindeutig gegen die aufgezwungene Änderung aus. Parteimitglied Jessica Müller (32) brachte die Stimmung in der Partei auf den Punkt: "Wir müssen kämpfen und dürfen uns nicht untergraben lassen!" Der Parteiname bleibt nun bestehen, der juristischen Auseinandersetzung mit Hoffmanns Gruppe sieht man gelassen entgegen.

Nach diesem formalen Teil des Parteitages hielt Parteichef Schill eine Wahlkampfrede, in der er seine politischen Hauptpunkte – Innere Sicherheit, Kampf gegen Drogen, Kriminalität, Verschmutzung und "Filz" – nochmals deutlich hervorhob. Wer befürchtet hatte, die Schill-Partei würde angesichts der zu Beginn ihres Bestehens aufgetretenen "Kinderkrankheiten" schnell versagen oder sich der Lächerlichkeit preisgeben, wurde bitter enttäuscht. Der erste PRO-Parteitag hat bewiesen, daß die Gründung einer neuen Partei nicht im Chaos enden muß, daß Menschen auch jenseits von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen politisch interessiert sind – und vor allem, daß nicht nur den Hamburgern das Thema Innere Sicherheit auf den Nägeln brennt. Sonst wäre der Zuspruch zu Schill und seiner Partei nicht so immens groß, wie er sich auf den vergangenen Stadtteilveranstaltungen und besonders auf diesem ersten Bundesparteitag gezeigt hat.


 
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