© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    50/00 08. Dezember 2000


Vaterlandslos
von Alexander Schmidt

Die SPD ist von ihrer Geschichte eingeholt worden. Wiederholt wurden Vorwürfe aus der Union laut, die SPD habe ein Problem mit ihrem Vaterland und dem Begriff der Nation sowieso. Mit diesem Vorwurf sahen sich die Sozialdemokraten bereits unter Bismarck konfrontiert, als ihnen noch der Ruf anhaftete, "vaterlandslose Gesellen" zu sein. War es aber nicht Adenauer, für den die europäische Integration in der Nachkriegszeit wichtiger war als die nationale Einheit? Ihm gegenüber stand damals noch Kurt Schumacher, der sich von Adenauer einen Nationalisten schimpfen lassen mußte. Heute wandern viele SPD-Wähler nicht zu anderen Linksparteien, sondern tendieren nach rechts.

Tatsächlich hat die links-liberal beherrschte SPD-Führung ein Problem mit der Nation, ebenso wie viele ihrer Wähler aus den oberen bürgerlichen Schichten. Eine doppelte Zäsur trennt die alte bodenständige Sozialdemokratie der Nachkriegszeit von der heutigen neuen Linken der Sushi-Generation und national orientierte Linke von Relikten der Studentenrevolte, die nie in der Lage waren, eine kind-liche Phobie vor der Nation abzulegen. Die Vaterlandslosigkeit der deutschen Sozialdemokratie, über lange Zeit latent vorhanden, aber nie wirklich ausgeprägt, ist heute ein bundesdeutsches Problem und so auch bei der SPD erkennbar. Die Traditionslinie von Scheidemann über Schumacher und Schmidt ist abgebrochen. SPD-Vordenker Peter Glotz hat den "Irrweg der Nation" erkannt und verbreitet.


 
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