© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/00 01. Dezember 2000

 
Meldungen

Vom Mythos geistiger Isolierung nach 1933

BERLIN. Zu den medial zumeist mit brennenden Büchern illustrierten Allerweltsweisheiten über das Dritte Reich zählt die Floskel, es sei kulturell die "Nacht über Deutschland" hereingebrochen und die Deutschen hätten eine "geistige Einkerkerung" erlebt. Die Berliner Romanistin Ulrike Beck trägt mit einer Untersuchung über den "Import französischer Literatur ins nationalsozialistische Deutschland" (Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen, Band 237/2000) dazu bei, solche Legenden zu widerlegen. Sie kann nachweisen, daß die Übersetzungsproduktion in allen Sprachen bis 1938 kontinuierlich anstieg. Von "geistiger Isolierung" könne also keine Rede sein. Überraschend ist auch, daß gerade die französischen faschistischen Autoren nicht von der verstärkten deutschen Nachfrage profitierten. Von Robert Brasillach oder Pierre Drieu La Rochelle wurde bis 1945 kein einziger Titel übersetzt.

 

Nation ethisch stärker als Verfassung

BONN. Die Zeitschrift der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (Die politische Meinung,Heft 371/00) kündigt den Beitrag "Über Grundlagen der Demokratie" des vor allem mit Studien zur mittelalterlichen Philosophie bekannt gewordenen Bonner Philosophiehistorikers Wolfgang Kluxen als "pointierte Position wider den Zeitgeist" an. Für Anhänger der Merkel-Partei dürfte provozierend wirken, wie Kluxen den Vorrang der Nation vor der Verfassungsstruktur begründet: Volk, Heimat, Vaterland und auch Nation seien geschichtlich gegeben und insofern "naturwüchsig". "Als humane, personale Gegebenheiten in unserem nahen Umkreis sind sie ethisch stärker als der allgemeine Gedanke einer Verfassungsstruktur. Die personale Gemeinschaft kann man lieben, man kann für sie Opfer bringen. Das liegt dem Gedanken einer Verfassung voraus. Der patriotismus, der in diesem Sinne bei den Römern ‘pietas‘ hieß, ist eine sozusagen unmittelbare Tugend." Kluxen, der die moralische Aufladung des Demokratiebegriffs in der BRD als "Folge (der) amerikanischen Kreuzzugsmentalität" identifiziert, hält daran fest, daß "im Zweifelsfall der konkrete Gedanke der Nation ethisch stärker als der universalistische der Demokratie" sei.


 
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