© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/00 01. Dezember 2000

 
UMWELT
Tierversuche mit Rekordzahlen
Volker Kempf

Es gibt ein so schaudererregendes Thema, daß es lediglich in Ausnahmefällen Einzug in die Presse erhält. Eine solche Ausnahme von der Regel ist ein vor wenigen Tagen durch die Tageszeitungen gegangenes Bild, das einen justierten Affen zeigt, in dessen Schädeldecke eine Schraube eingelassen ist. Darunter die Überschrift: "Rekord bei Tierversuchen".

1,6 Millionen Versuchstiere wie Affen, Hunde, Katzen, Hamster, Ratten und Mäuse wurden 1999 vernutzt. Das sind 60.000 Tiere mehr als im Vorjahr. 438.000 Tiere (plus 13,5 Prozent) wurden von Wissenschaftlern verwendet, um Erkenntnisse zu gewinnen, die keinen direkten Nutzen für Menschen brächten, erklärte der Deutsche Tierschutzbund. Vor einiger Zeit bekam von den Medien weitgehend unbeachtet ein Künstler sogar einen Preis dafür, daß er das Gehirn von lebenden Affen offenlegte, Tiere also zum Kunstobjekt machte.

In was für einer Welt leben wir eigentlich? Was für ein Weltbild liegt solchen Handlungen zugrunde? Die ehrliche Antwort ist wenig schmeichelhaft. Denn wie in Adolf Hitlers "Mein Kampf" geht der brutalen Erniedrigung unserer Mitgeschöpfe die Anschauung voraus, wir Menschen seien das auserwählte Volk – unter den Tieren. Aus Hitlers Rassismus wird ein Spezizismus, ansonsten gibt es keinen signifikanten Unterschied. Dieser Logik folgend könnten auch Außerirdische auf der Erde landen, Menschenversuche mit uns machen, uns die Köpfe auffräsen und darüber philosophieren, welchen Ertrag das wohl für ihre Wissenschaft, Medizin oder Kunst bringe. Die Freiheit von Wissenschaft und "Kunst" kennt keine ethischen Grenzen. Es ist zynisch, aber leider wirklich wahr.


 
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