© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/00 01. Dezember 2000


LOCKERUNGSÜBUNGEN
Meilenstein
Karl Heinzen

Klaus-Dieter Scheurle hat bei seinem Abgang als Präsident der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post die Form gewahrt. Die deutlich besseren Verdienstmöglichkeiten, die ihm das neue Engagement bei der Bank Crédit Suisse eröffnet, sind Gesichtswahrung genug. Ein Eklat hätte in der Öffentlichkeit den Eindruck eines strikt an der Sache orientierten Managements trüben können, von dem sich die Politik eine neue Legitimität verspricht. Daran kann auch das CSU-Mitglied Scheurle kein Interesse haben.

Der Wechsel an der Spitze der Regulierungsbehörde hat zudem tatsächlich auch sozusagen betriebswirtschaftliche Gründe. Diejenigen, die beaufsichtigt werden, sind seit langem unzufrieden mit denen, die die Aufsicht führen. Klaus-Dieter Scheurle hat die Unabhängigkeit, die seine Behörde auf dem Papier besitzt, oft bis an die Grenze des Erträglichen auszureizen versucht. Dabei hat er nicht einmal davor zurückgeschreckt, die Öffentlichkeit auf seine Seite zu bringen. Statt versöhnend zu wirken und den Verbraucher zur Einsicht zu bewegen, daß er stillschweigend die Kosten aller Anstrengungen zu tragen hat, die der Post und der Telekom ihre Wettbewerbsvorteile für die Zukunft sichern sollen, hat er kleinkarierten Vorstellungen von Fairness in der Preisgestaltung das Wort geredet, die nicht nur auf die Gewinnmargen drücken, sondern auch die Konkurrenz unnötig stark machen. Ron Sommer und Klaus Zumwinkel konnten angesichts dieser perfide-populistischen Intransingenz gar nicht anders, als im Interesse ihrer Aktionäre gegen ihn zu intrigieren.

Der Rückzug von Klaus-Dieter Scheurle ist über die Flurbereinigung in der Grauzone halböffentlichen Wirtschaftens hinaus zugleich ein politischer Meilenstein. Die rot-grüne Gleichschaltung kommt knapp zwei Jahre nach der Machtergreifung auch auf der Ebene der Bundesbehörden mehr und mehr zum Abschluß. Die Bemühungen werden auf der nächst unteren Ebene eine Fortsetzung finden, um irgendwann, vielleicht schon in der nächsten Legislaturperiode, ein reibungsloses Staatshandeln unter Verzicht auf entbehrliche und zeitraubende Überzeugungsarbeit gewährleisten zu können. Die Aufgaben, die vor uns liegen, sind zu gewaltig, als daß der Regierung verwehrt werden dürfte, einer Abwahl mit allen Mitteln vorzubeugen. Wer rot-grün wählte, hatte die Chance zu erkennen, daß er damit die Weichen für eine Zukunft stellte, in der die Rollen von Regierung und Opposition nicht weniger dauerhaft und transparent verteilt sind, als dies schon in der DDR der Fall war. Parteiübergreifende Gemeinsamkeiten werden dadurch nicht ignoriert, sondern eher erleichtert – das hat nicht zuletzt das Zusammenstehen am 9. November bewiesen. Die Union ist hier sogar unentbehrlicher denn je: Sie vermittelt jenen, die nicht zu Wort kommen sollen, einen Eindruck davon, was gesagt werden darf. Angela Merkel ist vielleicht doch am rechten Platz. Menschen mit ihrem Erfahrungshintergrund haben Zukunft.


 
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