© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/00 01. Dezember 2000

 
PRO&CONTRA
Brauchen wir ein Einwanderungsgesetz?
Roland Baader / Ulrich Deuschle

Wäre Deutschland nicht ein von Staat und Politik überwuchertes halbsozialistisches, sondern ein freies Land, dann wären Einwanderungsgesetze weitgehend überflüssig. Es kämen nur Menschen zu uns, die sich bedingungslos in den marktwirtschaftlichen Leistungsprozeß eingliedern möchten – und das auch müßten, weil ein freies Land kein Sozialstaat sein könnte. Arbeit fände ein jeder, weil es in einem freien Land nur freie Arbeitsmärkte gäbe (statt gesetzlich und syndikalisch gefesselte) und somit auch keine Arbeitslosigkeit. Was wäre also schlimm an der Zuwanderung? Nichts. Im Gegenteil: Mehr fleißige Hände, also mehr Wohlstand für alle. Und Angst vor "problematisch fremden" Kulturen wäre unbekannt, weil in der Leistungskultur der freien Marktwirtschaft – man nannte das einmal "bürgerliche Tugenden" – niemand überleben könnte, der sich ihr nicht anzupassen gewillt wäre. Jeder Fundamentalist, der die Aufklärungswirkungen der letzten 350 Jahre verpaßt hat, würde hier entweder verhungern oder die Heimreise antreten.

Aber wir sind kein freies Land, sondern ein Sozialstaat., der in den Bankrott steuert, und um diesen hinauszuzögern, muß der Staat auf Masseneinwanderung drängen. Weil aber der Sozialstaat so schön ist, kommen mehr von den Zuwanderern, die ihn belasten statt entlasten. Ergo bricht der Staat – zwar später, aber nun erst recht – zusammen. Auch Integrationsanreize oder -zwänge gibt es nicht mehr, weil er sein abendländisches Kulturerbe – eben die Leistungskultur – sozialstaatlich zerstört hat. In welche Kultur soll sich der Fremde integrieren, wenn es keine mehr gibt? Außer den "europäischen Werten" natürlich, sprich: den Glaubenssätzen der sozialistischen Internationale, getarnt als "Kampf gegen Rechts". Also bleibt das Fremde fremd.

Was bleibt also dem unfreien (Sozial-)Staat anderes übrig: Er braucht Einwanderungsgesetze. Das verhindert zwar nicht den Niedergang, aber der Niedergang macht dann wenigstens noch einen geordneten Eindruck.

 

Roland Baader ist Diplom-Volkswirt und war bis 1985 Industriemanager und Unternehmensberater.

 

 

Grundsätzlich muß festgehalten werden, daß wir uns die Diskussion um ein Einwanderungsgesetz sparen könnten, wenn wir in den letzten Jahrzehnten eine konsequente Familien- und Bevölkerungspolitik betrieben hätten.

Daß Kinder heute ein Armutsrisiko darstellen, zeigt, daß frühere Bundesregierungen völlig falsche Prioritäten gesetzt haben. Heute wird uns für diese verfehlte Politik die Rechnung aufgemacht. Einmal abgesehen davon würde ein Einwanderungsgesetz gerade das nicht leisten, was sich seine Befürworter erhoffen. Es ist nicht zu erwarten, daß mit einem derartigen Gesetz die internationalen Verpflichtungen, die Deutschland in den letzten Jahrzehnten ein hohes Maß an ungewollter Zuwanderung mit den entsprechenden Integrationsproblemen beschert haben, reduziert werden. Im Gegenteil: Diese Verpflichtungen drohen sich – Stichwort: EU-Richtlinie zur Familienzusammenführung – eher noch auszuweiten. Mit anderen Worten: Ein Einwanderungsgesetz wird nicht zu einer Regulierung der Zuwanderung nach Deutschland führen, sondern den Zuwanderungsdruck eher noch verschärfen. Erschwerend kommt hinzu, daß selbst große Teile der CDU nach wie vor nicht bereit sind, das derzeitige individuelle Grundrecht auf Asyl in eine institutionelle Garantie umzuwandeln.

Zur Disposition müssten weiter, um ein anderes Beispiel zu nennen, die bilateralen Sozialabkommen mit Nicht-EU-Staaten (z.B. mit der Türkei) gestellt werden, auf deren Grundlage jährlich Zehntausende von ungewollten Zuwanderern im Rahmen des Familiennachzuges nach Deutschland kommen. Solange alles dies nicht geleistet ist bzw. noch nicht einmal Gegenstand der Diskussion ist, ist ein Einwanderungsgesetz ein falsches Signal. Denn nach außen würde signalisiert, was linke Gesellschaftsingenieure seit langem behaupten: daß Deutschland ein Einwanderungsland ist.

 

Ulrich Deuschle ist für die Republikaner Vorsitzender des Wissenschaftsausschusses im Landtag von Baden-Württemberg.


 
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