© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/00 24. November 2000 |
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Utopien Hans Freyer oder die Kunst der Camouflage Ellen Conradt Als die Weimarer Republik in Warum nicht? Weil die NSDAP nach Freyers Maßstäben darin versagte, die revolutionäre Kraft des Volkes in einer Intensität zu entbinden, die es zum welthistorischen Antipoden des "planetarischen Universalismus der Technik" hätte werden lassen. Wie anderen KR-Denkern blieb Freyer nach 1933 daher nur der Rückzug auf Raten, 1938 mündend im Umzug nach Budapest. In Deutschland erschienen Schriften, die sich als Zeugnisse "innerer Emigration" lesen lassen. Dazu zählt der scheinbar ganz retrospektive Abriß utopisch-politischen Denkens von Platon bis zu den demokratisch-kommunistischen Entwürfen des 19. Jahrhunderts, den Freyer 1936 unter dem Titel "Die politische Insel" vorlegte. Dieses Büchlein hat die Freyer-Forscherin Elfriede Üner nun neu herausgegeben. So froh man darüber ist, so sehr erstaunt ihr Nachwort. Hat gerade sie in früheren Studien doch Freyers "Chiffrierkunst" beleuchtet, die Fähigkeit, Kritik mit Mitteln "historischer Camouflage" zu üben. Nun verrät sie uns nichts über den subversiven Gehalt dieses Textes. Wenigstens einen Hinweis auf die Rezeptionsgeschichte hätte Frau Üner uns gönnen können. Etwa auf den NS-Rezensenten aus Alfred Baeumlers Umkreis, der meinte, dieses Werk könne man "im Sinne politischer Resignation weiterdichten". Es werde "gegenüber dem gegenwärtigen Geschehen lächelnde Skepsis erzeugen". Und die konnte jene "Utopie als Ideologie" (Frank-Lothar Kroll), die den Deutschen wieder einen tausendjährigen Horizont eröffnete, gewiß nicht brauchen.
Hans Freyer: Die politische Insel. Eine Geschichte der Utopien von Platon bis zur Gegenwart, Karolinger Verlag Wien-Leipzig 2000, 184 S., 36 Mark |