© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/00 17. November 2000

 
Ein Weg zum Staatsbürgertum
Hannover: Aufruhr um Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an einen ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS
Steffen Königer

Was verbindet den Ex-SPD-Kultusminister von NRW,  Jürgen Girgensohn, und den früheren CSU-Finanzexperten Karl-Heinz Spilker? Was verbindet den langjährigen SPD-Oberbürgermeister von Dortmund und Präsidenten des deutschen Städtetages 1983/85, Günter Samtlebe, mit dem ehemaligen Sprecher des DGB und Intendanten des Deutschlandfunks, Richard Becker (SPD), und den Kreistagsabgeordneten Heinz Eckhoff aus Stade? Sie alle waren in der Waffen-SS.

Nun bekam bereits im August diesen Jahres der 77jährige Heinz Eckhoff – langjähriger CDU-Bürgermeister der Stader Gemeinde Apensen – von Bundespräsident Johannes Rau das Bundesverdienstkreuz für seine langjärige Arbeit auf der kommunalpolitischen Ebene (Eckhoff sitzt seit 1966 im Kreistag von Stade) verliehen. Die Ehrung wurde ihm vergangenen Montag vom parteilosen Stader Landrat Gunther Armonat überreicht. Die Aufregung war groß in den vergangenen Tagen: "Waffen-SSler geehrt", schlagzeilte die Berliner taz, und das Neue Deutschland titelte "Bundesverdienstkreuz für Waffen-SS- und NPD-Mann". Daß Eckhoff 1966 bei der Kreistagswahl für die Liste der NPD antrat, kam den Kritikern zupaß. Ungeachtet der Tatsache, daß er nie NPD-Mitglied war, nach der Kreistagswahl von 1968 in die CDU eintrat und seitdem für die Union im Kreistag sitzt, wird er als "ehemaliger Rechtsextremist" bezeichnet. Die Grünen-Fraktionschefin im Landtag von Niedersachsen, Rebecca Harms, sprach von einem "fatalen Signal angesichts der aktuellen Auseinandersetzung um den Rechtsextremismus" und war der Ansicht, daß man die Verdienste des CDU-Politikers auch auf andere Weise würdigen könnte.

Nun ist Eckhoff nicht der erste ehemalige Angehörige der Waffen-SS, der später als Politiker diese Auszeichnung bekam. Auch Siegfried Zoglmann, Träger des großen Bundesverdienstkreuzes, der als FDP-Bundestagsabgeordneter, Fraktionsgeschäftsführer und ab 1970 in der CSU politisch tätig war, gehörte dazu.

Bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes – jährlich wird es etwa 4.000 Mal vom Bundespräsidenten für "Verdienste am deutschen Volk" vergeben – prüft das jeweilige Bundesland, ob sich der Auszuzeichnende auch für einen Orden "würdig" erweist. Es ist der Landesregierung bekannt gewesen, daß Eckhoff ein einfacher Soldat der Waffen-SS gewesen sei. Die Proteste, allen voran die der SPD, wirken deshalb unverständlich. War doch der SPD-Genosse Günter Samtlebe – zur Zeit Aufsichtsratsvorsitzender der VEW AG in Dortmund – sogar Ober-sturmführer (Rang eines Oberleutnants) in eben dieser Militäreinheit gewesen.

Die Waffen-SS war der Wehrmacht unterstellt. 800.000 Mann kämpften in ihren Reihen neben den Wehrmachtssoldaten. Die SS wurde zwar in den Nürnberger Prozessen zu einer verbrecherischen Organisation erklärt. Konrad Adenauer stellte sich später aber ebenso vor die Soldaten der Waffen-SS ("Soldaten, wie andere auch") wie auch SPD-Chef Kurt Schumacher der am 30. Oktober 1951 erklärte: "Die Waffen-SS ist weder mit der allgemeinen SS noch mit den speziellen Organisationen der Menschenvernichtung und Verfolgung gleichzusetzen, sondern hat sich selbst als eine Art ‘4. Wehrmachtsteil‘ gefühlt und ist damals auch so gewertet worden. Sie war für Kriegszwecke geschaffen. Sicher sind viele der jungen Menschen Träger einer spezifisch hitlerischen Ideologie gewesen ohne aber die Verbrechen der zwölfjährigen Diktatur als solche zum Bestandteil ihrer politischen Zielsetzung zu machen, sehr oft ohne sie zu kennen oder sie ausreichend zu kennen. Die Mehrzahl dieser Menschen ist in eine ausgesprochene Pariarolle geraten. Sie sind kollektiv haftbar für die Verbrechen des Sicherheitsdienstes (SD) und der Menschenvernichtungsaktionen gemacht worden, obwohl sie als Waffen-SS kaum nähere Berührung damit hatten als manche andere Wehrmachtsteile. (...) Uns scheint es eine menschliche und staatsbürgerliche Notwendigkeit zu sein, diesen Ring zu sprengen und der großen Masse der früheren Angehörigen der Waffen-SS den Weg zu Lebensaussicht und Staatsbürgertum frei zu machen."

Heinz Eckhoff wurde 1941 in Hamburg gemustert und eingezogen. Er kam zur Waffen-SS und erreichte bis Kriegsende den Rang eines einfachen Sturmmanns (Gefreiter). Eckhoff war auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT zu keinem Kommentar bereit. Er sei in der letzten Zeit schon von so vielen Medien falsch dargestellt worden, daß sein Mitteilungsbedürfnis gegen Null tendiere. Der Christdemokrat will auch weiterhin Mitglied des Kreistages bis zu seiner Pensionierung im März nächsten Jahres bleiben.


 
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