© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/00 17. November 2000

 
Ein Interview über das NPD-Verbot
Gefahr der Radikalisierung
Dieter Stein

Selten ist eine Partei, die bei Wahlen in der Regel nur 0,2 Prozent der Stimmen erhält, so über Wochen in die Schlagzeilen gekommen wie die NPD. Vergangene Woche haben Bundesregierung und Bundesrat beschlossen, einen Antrag auf Verbot der NPD beim Bundesverfassungsgericht zu stellen. Nach den Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme SRP und die linksextreme KPD in den fünziger Jahren ist dies das dritte Verbotsverfahren gegen eine Partei in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

Das JF-Gespräch mit Steffen Hupka, einem führenden Vertreter des radikalen Flügels der NPD (siehe Seite 8), Sprecher der "Revolutionären Plattform" in der vom Verbot bedrohten Partei, zeigt einen derjenigen, die Argumente für ein Verbot liefern. Nach dem historischen Bankrott des ersten totalitären Experiments auf deutschem Boden am 8. Mai 1945 ein chancenloses Kuriosum, daß Menschen wie Hupka allen Ernstes eine geliftete Form des Nationalsozialismus wiederbeleben wollen.

Warum ist das Gespräch mit Steffen Hupka interessant? Hier gibt sich einer klipp und klar als Gegner des "Systems" zu erkennen, also einer, auf den der Begriff Extremist zutrifft. Die NPD sieht er als "zentralistische Organisation", über die "legal" "effektiv gearbeitet" wird für eine "politische Revolution" "gegen das System". Völlig logisch, daß dieser erklärte Gegner der parlamentarischen Demokratie und der jetzigen Verfassung ins Visier des Staates gerät. Ja, er sagt es sogar selbst: "Natürlich", das NPD-Verbot sei nur konsequent, wenn man System-Überwindung fordere. Wer den demokratischen Nationalstaat, die jetzige Verfassung der Bundesrepublik Deutschland verteidigt, ist damit sein Gegner.

Steffen Hupka zeigt in seiner Person als Angehöriger zahlreicher zuvor verbotener Organisationen aber auch, wie stumpf die Waffe der Verbote ist. Im Gegenteil: Verbote leiten Wasser auf die Mühlen derer, die an einer Radikalisierung Interesse haben. Steffen Hupka prophezeit deshalb: "Eine stärkere Radikalisierung findet statt". In der Vergangenheit hätten Verbote lediglich "ein Zusammenrücken in der Szene" bewirkt.

Wer ein Verbot der NPD ablehnt, kommt leicht in den Verdacht der Komplizenschaft. Darum geht es nicht. Die fehlende Distanz der NPD zum Dritten Reich, rassistische Programmatik, der unrepublikanische schwarz-weiß-rote Nationalismus – sie sorgen schon ohne Zuhilfe dafür, daß die Partei bei Wahlen mit 0,2 Prozent durchfällt. Die deutsche Demokratie ist gefestigt und braucht kein Verbot der NPD. Sie wird mit Gegnern der parlamentarischen Demokratie auch ohne Kampagnen, ohne Sondereinsatz des Verfassungsschutzes, ohne Verbote fertig.

Die Verbotsdebatte erklärt die deutsche Demokratie für unsouverän und liefert denjenigen Argumente, die an einer Radikalisierung der Verhältnisse Interesse haben. Zu Recht persifliert der linke Kabarettist Matthias Beltz in seinem aktuellen Programm die Verbotsrhetorik der Regierenden als "faschistisch". Wahrlich kein Zeichen der Reife für eine Republik ...


 
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