© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/00 10. November 2000

 
Fremde Welt
Chinas politische Realität seit 1950
Werner Olles

Im letzten Jahr feierte die Volksrepublik China ohne größere westliche Beteiligung ihren 50. Jahrestag. Es war wohl die Epoche mit den radikalsten Änderungen für die inzwischen über eine Milliarde Chinesen. Nachdem man 1949 – vorangetrieben von der KP unter Führung Mao Tse-tungs – mit der kollektiven Hoffnung auf Freiheit, und Gerechtigkeit begann, erschütterten Bürgerkriege und Hungersnöte das "Reich der Mitte". Am Ende dieses mit äußerster Brutalität durchgeführten Experiments hat sich Chinas Bevölkerung verdoppelt. Gleichzeitig gelang es dem Regime jedoch, einen "marktwirtschaftlichen Sozialismus" zu etablieren, ohne dabei den Menschen demokratische und kulturelle Freiheiten zu gewähren.

Ein Bildband dokumentiert die Stationen dieser gewaltigen Umwälzung: die Geburt eines neuen Chinas in den dreißiger Jahren, den Widerstand der Kommunisten unter Mao und der Nationalisten unter Chiang Kai-shek gegen japanische Invasoren, den Bürgerkrieg zwischen Kommunisten und Nationalisten, die Ambitionen des "Großen Sprungs", den Terror der Roten Garden während der "Kulturrevolution" und schließlich den Aufstieg vom Dritte-Welt-Agrarstaat zur ökonomisch-militärischen Weltmacht. Er zeigt jedoch auch ein Reich, das man als "unbekannte Welt" bezeichnen kann, eher ruhig-besinnliche Bilder des Alltagslebens, vermittelt Einblicke in für Europäer fremde Verhältnisse, die gesellschaftliche Rückständigkeit, aber auch die soziale Zerrissenheit im Prozeß der Modernisierung Chinas widerspiegeln.

Begleitet werden die 228 Farb- und Duoton-Fotos von einem brillant geschriebenen Essay der 1950 in einer angesehenen Pekinger Familie geborenen Rae Yang. Sie war während der Kulturrevolution Mitglied der Roten Garden und ist heute Leiterin der Abteilung für Ostasien-Studien am Emily Dickinson College in Pennsylvania. Erläuternde Bemerkungen einiger Fotografen über ihre persönlichen Sichtweisen, lyrische Marginalien aus der chinesischen Literatur und eine ausführliche Chronik runden den Band ab.

Rae Yang u.a.: China. 50 Jahre Volksrepublik. Einblicke in eine unbekannte Welt. Zweitausendeins, Frankfurt/M. 2000, 202 Seiten, Abb., 50 Mark


 
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