© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/00 10. November 2000

 
Ein teures Fest der Völker
EXPO 2000: Trotz 18 Millionen Besuchern und Warteschlangen muß der Steuerzahler die Verluste tragen
Alexander Schmidt

Die Weltausstellung in Hannover hat nicht nur zufriedene Besucher hinterlassen, sondern nach fünf Monaten Ausstellungszeit einen Schuldenberg von ungefähr 2,4 Milliarden Mark. Entgegen des Gutachtens der Unternehmensberatung Roland Berger aus dem Jahr 1992, in dem von 40 Millionen erwarteten Besuchern ausgegangen wurde, fanden nur 18,1 Millionen Besucher nach Hannover. Allerdings wies Berger 1998 auf ein signifikantes Risiko der im voraus getroffenen Prognosen hin. Experten zufolge drohte der Expo-GmbH schon damals ein Defizit von bis zu 1,848 Milliarden Mark zuzüglich Zinsen.

Berger wirft den Expo-Machern deshalb Planungsfehler und falsche Vermarktung vor, da sich die Geschäftsführung über den ganzen Zeitraum hinweg auf die Zahlen von 1992 berufen habe. Die Existenz eines weiteren Gutachtens wird jedoch von der Geschäftsführung der Expo bestritten. Der Bund der Steuerzahler kritisiert das voraussichtliche Defizit als ungeheuerliches Ärgernis. Die Veranstalter seien mit der Planzahl von 40 Millionen Besuchern von einem "Wunschergebnis" ausgegangen, so der Präsident des Steuerzahler-Bundes, Karl-Heinz Däke.

Neben der Finanzierung des Defizits ist zur Zeit außerdem noch unklar, ob es bei den veranschlagten 2,4 Milliarden Mark an Schulden bleiben wird, da die endgültige Abrechnung noch nicht existiert. Nach Angaben der verbraucherpolitischen Sprecherin der FDP, Gudrun Kopp, ist mit einem Verlust von drei Milliarden Mark zu rechnen. Dies gehe aus internen Berichten der Expo-Geschäftsführung hervor, aus denen ersichtlich wird, daß nicht alle Ausgaben verbucht worden seien. Die vertraulichen Unterlagen enthielten 30 bis 35 nicht bilanzierte Positionen, bei denen es sich unter anderem um Abfindungszahlungen sowie einige Aufwendungen für Management und Investitionen handele.

Der jüngst Streit hat sich jetzt zwischen dem Land Niedersachsen und dem Bund ergeben, da die entstandenen Kosten aufgrund einer zurückliegenden Vereinbarung gleichmäßig von beiden Beteiligten getragen werden sollen. Die Niedersachsen sehen sich jedoch mit den hohen Kosten überfordert und arbeiten darauf hin, daß der Bund zwei Drittel der Schulden bezahlt. Dies sei "hinter den Kulissen" auch schon vereinbart worden, so Frau Gudrun Kopp weiter.

Die nächsten Probleme stehen den Weltausstellern schon ins Haus, man rechnet in Hannover mit mehr als 100 Verfahren gegen die Geschäftsleitung, da sich viele Subunternehmer durch die gemachten Versprechungen hinsichtlich Besucherzahlen getäuscht fühlen und zum anderen die mangelhafte Zahlungsmoral der Leitung bemängeln.

Aus München kritisiert die Firma Baumm Medien und Design, daß es "ständig Probleme mit Zahlungen" gegeben habe. Inzwischen ist der Unternehmensliquidator Jobst Wellensiek, der bereits die Problemfälle Bremer Vulkan und Maxhütte betreute, damit beauftragt worden, sich der Expo anzunehmen.

Das Stillhalten der meisten an der Expo beteiligten Unternehmen wird damit begründet, daß die Öffentlichkeit in den letzten Ausstellungstagen nicht verunsichert werden sollte, was Gewinnausfälle zur Folge hätte haben können.

Auch die geplante Versteigerung von Ausstellungsstücken führte nicht zu dem gewünschten Erfolg, um die Finanzdecke der Expo zu stärken. Nur schleppend werden einzelne der Pavillons abgenommen, den meisten der 44 Nationenpavillons droht die Abrißbirne, gerade für 12 Zelte bestehen feste Verträge oder Pläne zur weiteren Nutzung.

Dennoch läßt sich keiner der Veranstalter und Beteiligten die Laune verderben. Ole Philipson, der Sprecher der Expo-Teilnehmernationen, meint: "Deutschland hat es geschafft. Die Expo 2000 ist ein großer Erfolg." Ebenso sicher weiß Bundestagspräsident Thierse, daß man "die endgültigen Bilanzen nicht abwarten" muß, um sagen zu können, daß die Weltausstellung 2000 ein Erfolg gewesen sei. Die Chefin des Ganzen, Birgit Breuel, kommt sogar zu dem Schluß, daß es ein "Fest der Völker" gewesen sei, was in der jüngsten deutschen Geschichte dann wohl schon das zweite wäre.

Den hohen Verlusten wird dagegen von seiten der Verantstalter und Politik wenig Beachtung geschenkt, der Zweck der Ausstellung – die Bundesrepublik als gastfreundlichen und toleranten Staat zu präsentieren – heiligt in Hannover viele Mittel. Wirtschaftlich argumentiert man mit Steuermehreinnahmen durch die Expo in Höhe von 2,7 Milliarden Mark, die die hohen Kosten relativierten und dem Wachstum an Beschäftigten, zumindest während der fünf Monate, die die Weltausstellung dauerte. Bundeskanzler Schröder kommt zu dem Schluß, daß die Expo eine "Ideenwerkstatt der Zukunft" war, die eine "völkerverständigende Idee" transportiert habe, wobei in finanzieller Hinsicht "nicht alle Rechnungen aufgegangen" seien. Ganz pragmatisch und schnörkellos heißt es dazu bei den Bund der Steuerzahler: "Bezahlt werden muß das Defizit, und das wird vom Steuerzahler bezahlt."


 
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