© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/00 10. November 2000

 
"Zuwanderung dient dem Wohle des Landes"
Dokumentation: Auszüge aus dem Arbeitspapier für die Zuwanderungs-Kommission der CDU

(…) Zuwanderung findet aus unterschiedlichen Gründen statt. Deutschland ist attraktiv für Ausländer – zum einen als Wirtschaftsstandort, als Zufluchtsort, aber auch aufgrund seines Netzes sozialer Sicherheit. Wie kaum ein anderes Land in der Welt hat Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten Zuwanderer aufgenommen. Die Zahl der hier lebenden Ausländer hat sich zwischen 1973 (Anwerbestopp) bis heute mehr als verdoppelt (von 3,5 Mio. auf 7,3 Mio.).

Keine Gesellschaft kann unbegrenzte Zuwanderung verkraften, will sie nicht ihre innere Stabilität und Identität aufs Spiel setzen. Die Bundesrepublik hat deshalb – wie jedes andere Land, das auch unter einem vergleichbaren Zuwanderungsdruck steht – das Recht, die Zuwanderung zu steuern und zu begrenzen. Die Frage lautet nicht: Zuwanderung – ja oder nein, sondern: Zuwanderung – weitgehend ungeregelt wie bisher oder geregelt und begrenzt. (…)

Notwendig ist eine vernünftige, die Interessen unseres Landes und der hier lebenden Menschen berücksichtigende Zuwanderungspolitik. Wir dürfen die Risiken einer unkontrollierten und ungesteuerten Zuwanderung und die sich daraus für unser Gemeinwesen ergebenden Probleme und Belastungen nicht übersehen und nicht verschweigen. Aber wir müssen ebenso deutlich machen, daß Zuwanderung für eine Gesellschaft in vielfältiger Hinsicht auch eine große Chance der Bereicherung bietet. Nicht nur in ökonomischer Hinsicht. Und wir müssen den Menschen, die sich – aus welchen Gründen auch immer – um die Zukunft unseres Landes und natürlich auch um ihr ganz persönliches Lebensschicksal Sorgen machen, übertriebene Ängste vor Zuwanderung nehmen. (…)

Wenn unsere Wirtschaft in verschiedenen Branchen und sogar in Schlüsselpositionen ihren Bedarf an qualifizierten Fachkräften weder aus dem Reservoir hiesiger Arbeitnehmer noch durch die Einstellung von Arbeitnehmern aus den EU-Ländern decken kann und wenn trotz erhöhter Ausbildungsleistungen der Betriebe und verstärkter Umschulungs- und Qualifizierungsanstrengungen der Arbeitsverwaltung freie Arbeitsplätze nicht besetzt werden können, dann muß dies negative Folgen für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes haben. Eine gesteuerte Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte liegt daher durchaus im Interesse unserer Volkswirtschaft und damit des gesamten Landes. (…)

Wenn wir in Zukunft bei dem weltweiten Wettbewerb um die "besten Köpfe" erfolgreich sein wollen, kann ein halbherziges, unschlüssiges Sonder- oder Sofortprogramm wie die Green-Card-Initiative unserem Land eher schaden als nutzen. Wer "die Besten" gewinnen will, muß sie – und ihre Familien – mit offenen Armen und ohne Ressentiments aufnehmen und ihnen in der Bundesrepublik eine dauerhafte, attraktive Arbeits-, aber auch Lebensperspektive bieten. Daneben ist auch zu prüfen, ob und wieweit auch durch gesteuerte Zuwanderung ein Beitrag zur Lösung sich abzeichnender demographischer Probleme geleistet werden kann. (…)

Jedes Staatswesen und jede Gesellschaft muß auf ein bestimmtes gemeinsames Fundament, ein gegenseitiges Vertrauen und ein Zusammengehörigkeitsgefühl achten. Zu diesem Fundament zählt auch die Akzeptanz eines gemeinsamen Grundwertekanons. Anders kann ein Gemeinwesen mit unterschiedlichsten individuellen Lebensvorstellungen nicht stabil bleiben. Ohne Loyalität gegenüber den grundlegenden Wertvorstellungen des Aufnahmestaates und entsprechendem gemeinsamen Identitätsbewußtsein kann unser Gemeinwesen weder seine Aufgaben erfüllen noch seine Bürger für das Gemeinwohl aller in die Pflicht nehmen.

Integration erfordert deshalb, neben dem Erlernen der deutschen Sprache sich für unsere Staats- und Verfassungsordnung klar zu entscheiden und sich in unsere sozialen und kulturellen Lebensverhältnisse einzuordnen. Dies bedeutet, daß die Werteordnung unserer christlich-abendländischen Kultur, die von Christentum, Judentum, antiker Philosophie, Humanismus, römischem Recht und der Aufklärung geprägt wurde, in Deutschland akzeptiert wird. Das heißt nicht Aufgabe der eigenen kulturellen und religiösen Prägung, aber Bejahung und Einordnung in den bei uns für das Zusammenleben geltenden Werte- und Ordnungsrahmen.

Integration in diesem Sinne ist weder einseitige Assimilation noch unverbundenes Nebeneinander auf Dauer. Multikulturalismus und Parallelgesellschaften sind kein Zukunftsmodell. Unser Ziel muß eine Kultur der Toleranz und des Miteinander sein – auf dem Boden unserer Verfassungswerte und im Bewußtsein der eigenen Identität. In diesem Sinne ist es zu verstehen, wenn die Beachtung dieser Werte als Leitkultur in Deutschland bezeichnet wird.

Die Chance, daß Zuwanderung dem Wohle unseres Landes dient, zu nutzen und die Risiken einer unzureichenden Integration zu minimieren, setzt eine konsequente Integrationspolitik voraus.

Bessere und schnellere Integration der rechtmäßig und auf Dauer in Deutschland lebenden Migranten verlangt zunächst und vor allem entsprechende Sprachkenntnisse. Nur wer hinreichend gut Deutsch kann, hat auf dem deutschen Arbeitsmarkt und in der deutschen Gesellschaft eine Chance. Das Vorhandensein guter deutscher Sprachkenntnisse sollte sich als "Bonus" auswirken, etwa bei der Entscheidung über einen Zuwanderungsantrag oder auch sonst bei der Erteilung einer Arbeitserlaubnis oder eines dauerhaften Aufenthaltstitels. Auf der anderen Seite muß es möglich sein, Zuwanderer jedenfalls dann, wenn sie etwa auf öffentliche Leistungen angewiesen sind, zur Teilnahme an Integrationskursen und hier vor allem Sprachkursen zu verpflichten. Zwar gibt es bereits eine ganze Reihe von Angeboten zur Sprachförderung. Eine Verpflichtung, diese Angebote anzunehmen, besteht jedoch oftmals nicht. Konkrete Verpflichtungen, einhergehend mit einem System von Anreizen und Sanktionen, können jedoch dazu beitragen, daß bleibeberechtigte Ausländer möglichst rasch die deutsche Sprache erlernen und dadurch die Grundlage für eine gelungene Integration schaffen.

Ausländer, die berechtigterweise einreisen und einen Daueraufenthalt erlangen wollen, sollen an einem Eingliederungsprogramm teilnehmen. Dieses Programm soll insbesondere Deutsch, die Grundzüge der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland, der Geschichte und Kultur unseres Landes sowie gesellschaftliche und berufliche Orientierung umfassen. Entsprechende frühzeitige Bemühungen können Separierungstendenzen und damit die Bildung von Parallelgesellschaften vermeiden helfen. (…)

Wir treten für eine Harmonisierung des europäischen Asylrechts ein – bei Freizügigkeit innerhalb Europas und Sicherung seiner Außengrenzen macht eine nationale Asylpolitik zunehmend keinen Sinn mehr. Die Umwandlung des Asylgrundrechts in eine institutionelle Garantie darf im Hinblick auf die europäische Einigung und europäische Harmonisierung auch des Rechts kein politisches Tabu bleiben. Es ist eine Illusion zu glauben, eine europäische Harmonisierung des Asylrechts bzw. der Asylpolitik würde ausschließlich auf dem deutschen Rechtsniveau stattfinden. (…)


 
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