© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/00 10. November 2000

 
Grüner Pfeffer
EU-14-Sanktionen: Außenminister Fischer antwortet dem Wiener "Staberl"
Jörg Fischer

Es war eigentlich wie an einem jeden Tag seit 1. Februar 1965: "Der deutsche Außenminister Joschka Fischer hat geruht, eine Veranstaltung unserer (österreichischen) Botschaft mit seiner Anwesenheit zu beehren…" schrieb der Kolumnist Staberl vor zwei Wochen mit spitzer Feder in der Wiener Neuen Kronenzeitung.

Mit "Küß’ die Hand, Herr Außenminister Fischer, diesen Akt von Edelmut werden wir Ihnen nie vergessen..." würdigt er den ersten offiziellen Besuch des deutschen Chefdiplomaten in der österreichischen Vertretung in Berlin, seit die EU-14 ihre Sanktionen nach einem "Weisenbericht" beendeten. "Mit besonders innigem Dank darf die Republik Österreich wohl verzeichnen, daß seine Exzellenz, der Außenminister, uns nicht im Fetzen- und Demo-Look samt Turnpatschen, sondern vielmehr dekadent-bürgerlich mit Krawattel und seidenem Maßhemd die Ehre erwiesen hat. Den erhobenen Oberlehrer-Zeigefinger hat sich Fischer allerdings nicht verkneifen können. Die Sanktionen gegen Österreich, so dekretierte der erlauchte Gast in unserer Botschaft, seien doch, bitte schön, nicht ohne Grund verhängt worden. Damit es diese Ösis nur wissen; damit sie nicht gleich wieder in fremdenfeindlicher und rassistischer Weise üppig werden!" Zum Schluß seiner Tageskolumne fügte Richard Nimmerrichter – alias Staberl – jedoch noch hinzu: "Die meisten Österreicher werden sich ja noch genau erinnern, wo in Sachen Sanktionen neben den Herren Chirac und Michel die ärgsten Scharfmacher am Werk gewesen sind. Da könnte so mancher Landsmann meinen, Fischer möge doch, statt auf unsere Botschaft, lieber dorthin gehen, wo der Pfeffer wächst. Und seinen Chef, Gerhard Schröder, den Statthalter Frankreichs in Berlin, hätte er auch gleich mitnehmen können."

Und da unter den 8.000 Mitarbeitern des deutschen Außenamtes auch ein Heer von "Presseauswertern" Dienst tut, entging dem verwunschenen Minister Fischer auch der "Staberl" nicht. Doch der Grüne ging zwar nicht auf die sachlichen Vorwürfe ein und eine Entschuldigung für die Sanktionen bei Österreich ist von ihm wohl nicht zu erwarten. Aber Fischer bewies zumindest Humor und antwortete in einem Leserbrief: "Werter Herr Kommentator, nach der Lektüre Ihres lichtvollen Kommentars, grüße ich Sie unverzüglich von eben da - aus Indonesien. Anbei etwas Pfeffer von den Gewürzinseln. Vielleicht macht das in Zukunft Ihre Kommentare noch etwas feuriger."

Übrigens: Der "Staberl" wäre den beamteten Zeitungslesern im Außenamt demnächst wohl entgangen, denn Fischer plant eine Reform seines Ministeriums unter dem denglischen Motto "Public Diplomacy". Dazu gehört auch, die Presseauswertung der Gastlandmedien einzustellen. Die "Experten" in der Berliner Zentrale könnten die Blätter auch im Internet lesen. Doch da liegen die "Experten" im Falle der Krone völlig daneben: Die Neue Kronenzeitung gibt es nur im Straßenverkauf.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen