© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/00 10. November 2000

 
Protest lohnt sich immer
Kontenkündigung: Mit Einstweiligen Verfügungen Vorhaben der Banken gestoppt / Ausdehnung der Kündigungen auf linksextremistische Vereinigungen
Steffen Königer

In den letzten Monaten, seit Beginn der "Kampagne gegen Rechts", ist es zu vielen Initiativen gegen Parteien, Verlage und Institutionen gekommen, die rechts der Mitte angesiedelt sind. Auch Banken fühlten sich mit einemmal berufen, sich in die "politische Diskussion" einzumischen. Konten wurden kurzerhand gekündigt, was mit der im Kreuzfeuer stehenden NPD begann, sich dann aber – nicht zuletzt wegen der Aufforderung des Bundeskanzlers zu mehr Zivilcourage – auf Zeitungen und Verlage auszuweiten drohte.

Am deutlichsten engagierte sich die Postbank (Werbespruch: "Die Bank fürs Wesentliche"). Der Vorstand des Kreditinstituts kam in einer Pressemitteilung vom 24. August zu dem Entschluß, in einem ersten Schritt allen "rechtsradikalen Parteien" die Konten zu kündigen. In einem zweiten Schritt sollten wegen der "politischen Hygiene" dann auch Verlagen und den Parteien nahestehenden Organisationen die Konten gekündigt werden. Bereits 24 Stunden, nachdem die Mitteilungen an einige betroffene Kontoinhaber verschickt wurden, so erklärte der Leiter der Pressestelle, Joachim Strunk, auf Nachfrage der JUNGEN FREIHEIT, wurde der Satz mit der "politischen Hygiene" entfernt, da er sich als "schlechte Formulierung" erwiesen hätte.

Außerdem, so Strunk, sei die Postbank dazu übergegangen, "auch Konten von linksextremistischen Vereinigungen" zu kündigen. Nur in Ausnahmefällen, wie er versicherte, würden Privatpersonen Konten gekündigt. Zum Beispiel dann, wenn jemand für einen rechtskräftig verurteilten Gewalttäter sein Konto als Spendenkonto zuläßt. So wie im Falle des Christian Hehl, der 18 Monate für schwere Körperverletzung in der Justizvollzugsanstalt Frankenthal absitzt und für den ein "Sympathisant" sein Privatkonto zum "Solidaritätskonto Hehl" umfunktionierte.

Etwas verwundert war der Pressechef, daß ein Infoblatt der Postbank den Redakteuren der JUNGEN FREIHEIT vorlag, welches gewisse "Sprachregelungen" an ihre Mitarbeiter enthält. Aufgeführt sind dort zwölf Fragen, die vom Kontoverlust Betroffene stellen könnten und Antworten, die Mitarbeiter geben sollten. "Damit wurde den Mitarbeitern, die nicht so involviert sind, eine Argumentationsgrundlage gegeben", versuchte er zu erklären. Nicht geäußert hat sich Strunk, ob dieses "Informationsblatt für Filialleiter und Multiplikatoren" noch im Gebrauch sei. Der zweite Schritt, die Kündigung von Verlagskonten und Konten "diesen Parteien nahestehender Organisationen", trat nicht zuletzt wegen der massiven Gegenwehr nicht mehr in Kraft, denn nicht nur die NPD hat die Postbank mit einstweiligen Verfügungen zur Weiterführung der Parteikonten gezwungen.

Auch die seit 1951 in Coburg erscheinende Monatsschrift Nation & Europa hatte mit rechtlichen Schritten Erfolg: Wie der Herausgeber Harald Neubauer auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT mitteilte, sind die Commerzbank, die Postbank und die Deutsche Bank unter Androhung einer Geldstrafe bis zu 500.000 Mark oder bis zu sechs Monaten Haft bei Verstoß gegen die einstweilige Verfügung veranlaßt worden, diese Schritte rückgängig zu machen. Die Verantwortlichen bei genannten Kreditinstituten mußten zurückrudern und die Konten bis zur noch ausstehenden Hauptverhandlung weiterführen. Dieser Prozeß kann nach allgemeiner Erfahrung erst nach Monaten, wenn nicht nach Jahren aufgenommen werden. Fragt man bei drei der bekanntesten Institute (Deutsche Bank, Dresdner Bank, Commerzbank) nach, erhält man die Auskunft, daß die regionalen Banken hier die Entscheidungshoheit hätten. Markus Temme von der Presseabteilung der Dresdner Bank in Frankfurt sprach von einer Einzelfallprüfung, die nur die jeweiligen "örtlichen" Banken durchführen könnten. Überdies hätte, so Temme, die Dresdner Bank nie Konten der NPD oder der DVU geführt.

Die rechtlichen Grundlagen einer Kündigung fußen bei allen Banken auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, nach denen nicht einmal konkrete Gründe genannt sein müssen. Die Bank hat demzufolge jederzeit das Recht, Konten unter Wahrung einer Frist von vier bis sechs Wochen aufzulösen. Dies wird als Vertragsfreiheit bezeichnet. An dieser Stelle sollte die Legislative eigentlich mit Gesetzen Abhilfe schaffen.

Der Bundestag hat sich bereits im vergangenen Jahr mit dem "Girokonto für jedermann" beschäftigt. Dies ergab sich aus der stetig gestiegenen Bedeutung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. In der Zukunft ist an eine Teilnahme im öffentlichen Leben ohne die Eurocheque- Karte kaum denkbar. Nicht zuletzt deshalb kann von einer Verletzung der Grundrechte des Einzelnen gesprochen werden, wenn Einzelpersonen durch eine Kontokündigung diese Bezahlungsmöglichkeit genommen wird. In Drucksache 14/3611 des Bundestages sind verschiedene Gründe angeführt, warum es zur Ablehnung beziehungsweise zur Kündigung von Konten gekommen ist und welche Kündigungsgründe auch künftig bestehen. Darunter fallen die mangelnde Bereitschaft des Kunden zur Kontoführung auf Guthabenbasis, der Leistungsmißbrauch durch den Kontoinhaber, die Verletzung der vertraglichen Kontoabsprachen, der Wegzug des Kunden aus dem Gewährträgergebiet oder das Unterbleiben der Nutzung des Kontos zum bargeldlosen Zahlungsverkehr.

Im Zeitraum vom 1. Juli 1998 bis zum 30. Juni 1999 waren diese vorangestellten Gründe allein bei den Sparkassen 40.858 Mal der Ausschlag einer Girokontenkündigung. Eine gesetzliche Verpflichtung der Kreditinstitute diesbezüglich hielt der Bundestag nicht für geboten. Ein Irrtum, wie sich nun herausgestellt hat. Der Jura-Professor Bernd Rüthers hat in dem Münchner Nachrichtenmagazin Focus beklagt, daß auf diese Weise die Oberen Gerichte als Ersatzgesetzgeber herhalten müssen. Von ihrer eigentlichen Funktion ausgehend, die das Schließen vorhandener Lücken beinhaltet, ersetzen nun die Richter teilweise den Gesetzgeber, da die Legislative mit der rasanten Änderungsgeschwindigkeit der Industriegesellschaft nicht mitkäme, so Rüthers.

Eine direkte Folge dieser aufklaffenden Lücke zwischen Gesetz und Interpretation hat nun im Verlauf der letzten Monate zu den genannten "Aktionen" von Banken geführt, die sich im nachhinein aber als undurchführbar erwiesen.


 
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