© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/00 10. November 2000

 
Hans-Olaf Henkel
Der Turbo-Globalisierer
von Ronald Gläser

Noch am selben Abend erschien Hans-Olaf Henkel auf der Party der SPD, um Gerhard Schröder persönlich zum Wahlsieg bei der letzten Bundestagswahl zu gratulieren. Trotzdem ist der 60jährige einer der ständigen Kritiker der rot-grünen Bundesregierung: wegen der Höhe der Einkommens- und Körperschaftssteuer, wegen des Festhaltens an der Ökosteuer, wegen der Wirtschafts- und Europapolitik. Für seine Gegner ist der BDI-Chef der idealtypische Kapitalist, ein "Rambo in Nadelstreifen" und Scharfmacher.

Hans-Olaf verlor im Krieg den Vater und wuchs mit zwei Geschwistern auf. Der Hamburger absolvierte eine Ausbildung in einer Spedition und studierte anschließend. Im Hamburg der 60er Jahre soll er sich als Partylöwe in Kneipen und Tanzschuppen herumgetrieben haben, wahlweise mit langen Haaren oder einem Beatles-Pilzkopf. Die Bezeichnung "68er" läßt er für sich gelten.

1962 gelangte Henkel zu IBM, wo er eine steile Karriere hinlegte, die ihn nach Afrika, Asien und Amerika führte. 1987 übernahm er die Leitung von IBM Deutschland. Vor sechs Jahren trat er die Nachfolge von Tyll Necker als Industriepräsident an. Henkel ist die menschliche Verkörperung der Globalisierung. Er ist der idealtypische Angehörige der neuen, internationalen Wirtschaftselite, die von dieser Entwicklung nur profitieren kann und keine Rücksicht auf die Interessen der Verlierer in diesem Prozeß nimmt. Grenzen, nationale Gesetzgebungen, Nationalstaaten überhaupt sind für Leute wie ihn ein Relikt aus vergangenen Zeiten, das es zu überwinden gilt. Der Turboglobalisierer gibt wenig auf nationale Bestimmungen. Bei den Richtlinien für die Übernahme von Unternehmen sollten die Deutschen nicht "ihr eigenes Süppchen kochen". Auch die deutsche Sprache brauchen wir nicht mehr: Patente sollten in der EU ausschließlich in Englisch ausgestellt werden.

Wenn Traditionen im Widerspruch zum Ziel der Gewinnmaximierung stehen, müssen sie überwunden werden. Henkel hat schon vor Jahren bei IBM gegen den Widerstand der Kirchen und Gewerkschaften die Sonntagsarbeit eingeführt, um im Wettbewerb mit fernöstlichen Chipproduzenten mithalten zu können.

In das Bild des Gutmenschen Henkel paßt auch, daß Henkel 1992 Umweltmanager des Jahres wurde. In dieses Bild paßt, daß er Amnesty International finanziell unterstützt, was ihm dank seiner Aufsichtsratsposten eher leichtfallen dürfte. In dieses Bild gehört, daß er als Erstunterzeichner zur "Kampf gegen Rechts"-Demo am 9. November aufruft.

Der Industriepräsident verläßt nun den Posten und hinterläßt eine Situation, die besser kaum sein könnte. Der globalen Wirtschaft ist mittlerweile fast alles untergeordnet. Die deutsche Souveränität ist so gut wie abgeschafft. Die Voraussetzungen für die globalen Spieler im Wirtschaftsleben sind besser denn je. Und Henkels Nachfolger Michael Rogowski hat einen Ansprechpartner im Kanzler, der als "Genosse der Bosse" gilt.


 
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