© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/00 10. November 2000

 
Der befangene Vermittler
Die zwiespältige Rolle der USA im Nahen Osten
Michael Wiesberg

Der israelische Außenminister Schlomo Ben Ami hat Anfang November bei einem Treffen mit UN-Generalsekretär Kofi Annan die palästinensische Forderung nach Entsendung einer UN-Truppe für die Autonomiegebiete abgelehnt.

Dabei habe er darauf verwiesen, daß die USA zugesagt hätten, im Sicherheitsrat ihr Veto gegen eine entsprechende Resolution einzulegen, sagte Ben Ami in New York. Diesem Gespräch ging der Vorwurf der Palästinenser an Israel voraus, exzessive Gewalt gegen ihre Bevölkerung anzuwenden. Der palästinensische UN-Gesandte Nasser el Kidwa hatte daraufhin angekündigt, die Forderung nach einer Schutztruppe vor die Vollversammlung zu bringen, sollte der Sicherheitsrat untätig bleiben.

Der Hinweis Ben Amis auf die USA zeigt, daß Washington kein neutraler Makler ist. Dies war keineswegs immer so. Nach 1945 votierte ein Großteil der WASP-Elite (White Anglo-Saxon Protestant) zunächst für die britische Position der Nichtanerkennung des Staates Israel. Politiker wie George Marshall, Dean Acheson oder Verteidigungsminister James Forrestal fürchteten um die geostrategischen und rohstoffpolitischen Interessen der USA. Diese Haltung knüpfte an die proarabische US-Politik der Zwischenkriegszeit an. Eine allmähliche Wende dieser Politik vollzog sich während der Präsidentschaft von Harry S. Truman. Dieser folgte seinen Beratern und erkannte den von David Ben Gurion ausgerufenen Staat Israel an. Dabei dürfte die finanzielle Hilfe durch jüdische Wähler eine erhebliche Rolle gespielt haben.

Ganz in den Vordergrund traten die USA im Nahen Osten nach Ende der Suez-Krise im Jahre 1956. Eine Folge dieser Krise war, daß England und Frankreich ihren Einfluß auf den Mittleren und Nahen Osten vollkommen verloren. An ihre Stelle ist bis auf den heutigen Tag die USA getreten. Europäische Nahostpolitik ist seitdem nur noch Begleitmusik. Die US-Nahostpolitik war zunächst durch den Kalten Krieg bestimmt. Der Zugang zum Öl sollte unter allen Umständen offen sein, die arabischen Staaten sollten nicht unter Sowjet-Einfluß geraten.

Darüber hinaus gab und gibt es handfeste geostrategische US-Interessen im Nahen und Mittleren Osten – Stichwort: Türkei, Iran, Pakistan. An die Stelle des Schahs von Persien – lange Zeit Garant der US-Interessen in der Region – ist heute das geostrategische Dreieck Türkei-Israel-USA getreten. Dieser Entwicklung ging der arabisch-israelische Konflikt voran, der 1967 (Sechs-Tage-Krieg) und 1973 mit eindeutigen Niederlagen Ägyptens endete. Eine Folge dieser Kriege war und ist eine bisher nicht dagewesene Machtentfaltung Israels . Diese Kriege brachten auch das palästinensische Flüchtlingsproblem hervor, das von da an immer mehr in den Mittelpunkt rückte. In diese Zeit fällt auch das Abrücken der USA von ihrer vorher eher vermittelnden Position hin zu einer offen pro-israelischen Haltung. Daran änderten auch die beiden Abkommen von Camp David (1978) aus der Zeit von US-Präsident Carter nichts. Bis heute wird den Palästinensern eine Autonomie verweigert, es gibt weder ein territoriales, noch ein politisches Selbstbestimmungsrecht. Dies hat sich auch in der Clinton-Ära nicht geändert. Er tut und tat alles, um sich die Sympathien der jüdischen Wählerschaft nicht zu verscherzen. Wie stark deren Einfluß ist, zeigt ein Bericht über den NS-Opferanwalt Melvyn Weiss im SZ-Magazin: "Ohne die Zustimmung der jüdischen Gemeinde New Yorks, einer Stadt, in der mehr Juden leben als sonstwo außerhalb Israels, kann Hillary Clinton nicht Senatorin werden."

Daß die jüdische Lobby in den USA auch Clinton nach Kräften in dessen Wahlkämpfen unterstützt hat (und jetzt Al Gore), ist kein Geheimnis. So kann es nicht verwundern, daß Clinton in seiner Amtszeit die Beziehungen zu Israel ständig weiter ausgebaut hat. Und zwar nicht allein mittels Auslandshilfe oder strategischer Sicherheitspartnerschaft, sondern auch durch Ausweitung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen. Clintons Außenpolitik ist in einem Maße "ökonomisiert", wie es bei keinem seiner Vorgänger der Fall war. Die Schaffung neuer Märkte für US-Produkte steht im Mittelpunkt der US-Außenpolitik. Israel nimmt in diesem Zusammenhang für die US-Wirtschaftsinteressen im Nahen Osten eine zentrale Rolle ein. Eine wirkliche Lösung des palästinensisch-israelischen Konfliktes streben die USA im Grunde nicht an. Nur so ist es zu erklären, daß die Prinzipienerklärung zwischen der PLO und Israel vom 13. September 1993 in Washington kraß zuungunsten der Palästinenser ausgefallen ist. Die Palästinenser wurden gedrängt, die Israelis als Besatzungsmacht in ihrem Territorium anzuerkennen. Arafat regiert seitdem im Grunde von Israels Gnaden. Finanziert wird sein "Autonomiegebiet" vor allem mit EU-Geld. Die Schlüsselkompetenzen, sowohl politisch als auch ökonomisch, halten weiter die Israelis in Händen.

Zu Recht wurde deshalb das Westjordanland in den Züricher Beiträgen zur Sicherheitspolitik und Konfliktforschung (54/99) als eine Art "südafrikanisches Homeland" wie zur Zeit der "Apartheid" bezeichnet. Denn die Autonomie der Palästinenser reduziere sich "auf die Autonomie der palästinensischen Selbstorganisation für die Überwachung des täglichen Lebens". Eine "echte Autonomie", so das Fazit der "Beiträge", werde nur "vorgetäuscht".


 
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