© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    45/00 03. November 2000

 
Meldungen

Verfahren gegen Hildebrandt eingestellt

WIESBADEN. Die Staatsanwaltschaft Berlin wird keine Anklage gegen den Kabarettisten Dieter Hildebrandt erheben. Die Stadt Wiesbaden hatte Anzeige erstattet, weil er die dortige Ausländerbehörde in die Nähe der SS gerückt hatte. Im April hatte Hildebrandt in der ARD-Sendung "Scheibenwischer" die Abschiebeanordnung der Wiesbadener Ausländerbehörde gegen eine elfköpfige kurdische Familie zum Thema gemacht. Dabei fragte er, ob die Behördenmitarbeiter "vielleicht nachträglich noch in die SS eintreten" wollten oder ob es sich um "rechtsradikale Türken" handele. Darin sah die Stadt eine Ehrverletzung ihrer Angestellten und stellte Strafanzeige. Die Staatsanwaltschaft Berlin hielt Hildebrandts Äußerungen zwar für "grundsätzlich geeignet, den objektiven Tatbestand der Beleidigung auszufüllen", stufte die Kunstfreiheit aber höher ein. Wiesbadens Oberbürgermeister Hildebrand Diehl (CDU) nannte die Entscheidung der Staatsanwaltschaft "unverständlich". Die Abschiebeanordnung gegen die kurdische Familie hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Die Familie entzog sich jedoch der Maßnahme und flüchtete nach Mainz ins Kirchenasyl, das sie inzwischen wieder verlassen hat – mit unbekanntem Ziel.

 

Naumann droht Wagner mit finanziellen Folgen

MÜNCHEN. Mit Bedauern hat der bayerische Kultusminister Zehetmair auf die Ankündigung von Eva Wagner-Pasquier reagiert, ihre Kandidatur für die Leitung der Bayreuther Festspiele zurückzuziehen. Die Tochter von Festspielchef Wolfgang Wagner sei nach Einschätzung zahlreicher Mitglieder im Stiftungsrat eine hervorragend geeignete Bewerberin für die Festspielleitung, meinte der CSU-Politiker am Donnerstag. Wagner-Pasquier begründete, ein Datum für den Rücktritt ihres Vaters sei nicht bekannt. Auch für die Dreierlösung mit ihrer Cousine Nike Wagner und dem Berliner Intendanten Elmar Weingarten sieht sie keine Grundlage mehr. Dagegen will das verbliebene Duo seine Bewerbung für die Übernahme der Festspielleitung aufrechterhalten. Unterdessen drohte Kulturstaatsminister Michael Naumann mit finanziellen Konsequenzen für die Festspiele, wenn Wolfgang Wagner in der Frage seiner Nachfolge weiterhin halsstarrig bleibe. Er kritisierte Wagners "hochherrschaftliche Attitüde mit Verlautbarungen vom Festspielhügel wie vom Berg Sinai", um "die Gebote der Nachfolge selbst durchzusetzen".

 

Erneute Kritik an Rechtschreibreform

DARMSTADT. Mit einer erneuten heftigen Attacke gegen die Reform der deutschen Rechtschreibung hat sich die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung zu Wort gemeldet. Auf der Herbsttagung der Akademie in Darmstadt sagte deren Präsident Christian Meier, es sei eine "Zumutung" für die Bürger, daß ihnen demokratische Regierungen solche Vorschriften machen wollten. Mit Ausnahme der Rechtschreibreformen der Nationalsozialisten 1941 und 1945 sei es eine "gute deutsche Tradition" gewesen, nichts gegen den Willen des überwiegenden Teils der Sprachgemeinschaft zu tun. Höhepunkt der Tagung war die Verleihung des mit 60.000 Mark dotierten Georg-Büchner-Preises an den Schriftsteller Volker Braun. Der 61jährige gebürtige Dresdner lebte jahrzehntelang in Konflikt mit der DDR-Bürokratie und wurde von der Stasi überwacht. Mit seinem Drama "Die Übergangsgesellschaft" sagte er 1987 dem DDR-System das nahende Ende voraus.


 
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