© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    45/00 03. November 2000

 
Bildungsauftrag ist nur noch eine hohle Phrase
Gastkommentar: Das System der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muß gründlich reformiert werden
Holger Zastrow

ARD, ZDF, dritte Programme, 3Sat, Arte, Kinderkanal, Phönix, dazu unzählige Radioprogramme und Tochterfirmen – das Geflecht öffentlich-rechtlicher Anstalten und Programme treibt immer buntere Blüten. Wie in diesen Tagen tönt regelmäßig aus den Chefetagen der Rundfunkanstalten der Ruf nach höheren Gebühren. 3,33 Mark zusätzlich soll der Gebührenzahler ab Januar zahlen – für immer mehr und immer beliebigere Programme und für eine Medienpolitik, die besser heute als morgen auf den Prüfstand gehört.

Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) ist der Beweis dafür, daß von Finanznot im öffentlich-rechtlichen Rundfunk keine Rede sein kann. Wer sich eine neue Luxus-Sendezentrale in Leipzig und Bürostühle für 2.500 Mark pro Stück leisten kann, hat keinen Geldbedarf. Im Gegenteil. Offenbar geht es den Rundfunkanstalten richtig gut. Oder könnte sonst ein MDR 33 Millionen Mark in riskante Geldspekulationen stecken? Könnte die Anstalt sonst 2,6 Millionen DM in Südamerika verspekulieren, ohne daß Intendant Udo Reiter seinen Hut nehmen muß? Keine private Anstalt könnte das. Die, die sich dem Wettbewerb am freien Markt stellen müssen, haben nicht die Möglichkeit, durch den Gesetzgeber sanktioniert aus dem vollen zu schöpfen.

Wenn es darum geht, den Bürgern noch mehr Geld aus dem Portemonnaie zu wringen, ist die Kreativität der Anstalten grenzenlos. Eine Extra-Rundfunkgebühr auf alle Computer ist so eine Idee; profitable Bereiche in dubiose Tochterfirmen zu überführen und unprofitable Bereiche auf die Gebührenzahler abzuwälzen, bereits gängige Praxis. Zudem verlangt man natürlich längere Werbezeiten, um von dem dicken Werbekuchen der Privaten profitieren zu können. Via Sponsoring und "Product placement" haben sich die Anstalten quasi über die Hintertür bereits selbst höhere Werbeeinnahmen genehmigt, ohne daß die Politik eingeschritten wäre.

Wie so oft, wenn die öffentliche Hand zu wirtschaften beginnt, begreifen die staatlichen Anstalten den Steuer- und Gebührenzahler als Melkkuh. Per Gesetz greifen Reiter & Co. den Bürgern frech in die Geldbörse, um hohe Gehälter zu zahlen, gewaltige Pensionszusagen zu treffen, volkstümliche Hitparaden und die x-te Version einer ganz normalen Glückshow zu produzieren, reiche Showstars noch reicher zu machen oder einfach mal 2,6 Millionen Mark in Ecuador zu verzocken. Oder einfach private Konkurrenz an die Wand zu spielen wie beim privaten Spartensender Nickelodeon, der ein Programm für Kinder machte. Er hatte eine Chance, bis der öffentlich-rechtliche Kinderkanal kam und Nickelodeon mit fast dem gleichen Programm, Gebühreneinnahmen und staatlichen Subventionen vom Markt vertrieb.

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk heißt heute mehr und mehr Unterhaltung statt Information, Dudelmusik, Schunkellaune und Tendenzberichterstattung statt Reportagen und objektive Nachrichten. Und bei der Jagd nach Einschaltquoten gebärden sich die Öffentlichen inzwischen mindestens genauso wie die Privaten. Sicher trifft das nicht auf alle Programme der Öffentlichen zu. Viele Journalisten und Redaktionen leisten Hervorragendes. Aber wie im Fall MDR findet beispielsweise die Politik im sächsischen Landtag, wenn überhaupt, mehr bei kleinen privaten Lokalsendern als bei der eigentlich dafür zuständigen öffentlichen Rundfunkanstalt statt. Der Bildungsauftrag ist nur noch eine hohle Phrase. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat das Vertrauen verspielt.

Das System der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muß gründlich reformiert werden. Rundfunkgebühren müssen niedrig und sozial verträglich sein. Die Programme der Rundfunkanstalten müssen durchforstet, Programmteile, die auch von privaten in gleicher Qualität angeboten werden bzw. könnten, gestrichen werden. Die Rückkehr zum Bildungs- und Informationsauftrag ist Pflicht. Die Anstalten müssen Sparvorbilder sein und streng kontrolliert werden. Mainstream-Rundfunkprogramme wie zum Beispiel die öffentlichen Musiksender MDR-Jump oder N-Joy müssen konsequent privatisiert werden. Und der Parteieinfluß auf Posten in Rundfunkanstalten gehört abgeschafft.


 
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