© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    45/00 03. November 2000

 
Udo Voigt
Unter Druck
von Ernst Jarmer

Der Beschluß des Bundesverfassungsgerichtes über den Verbotsantrag gegen die NPD wird entscheiden, ob Udo Voigt aus Sicht seiner Freunde als Held oder als Totengräber in die Geschichte seiner Partei eingehen wird. Der ehemalige Hauptmann der Bundeswehr hat seit der Übernahme des Parteivorsitzes 1996 die NPD konsequent in die Auseinandersetzung mit "dem System" – der herrschenden Ordnung der Bundesrepublik Deutschland – geführt. Immerhin hat er nun erreicht, daß "das System" den Fehdehandschuh aufgehoben hat.

Der 1952 geborene, aus Viersen in Nordrhein-Westfalen stammende gelernte Flugzeugbauer trat 1972 in die Bundesluftwaffe ein. Nach vierzehn Jahren als Soldat begann er nach seinem Abschied das Studium der Politikwissenschaften an der Universität München, das er 1987 mit einem Diplom abschloß. Bereits 1968 war Voigt in die NPD eingetreten, die damals im Gegensatz zu heute bürgerliche Züge trug und mit dem Rechtskonservativen Adolf von Thadden ein Mitglied einer Widerstandsfamilie vorweisen konnte. Thaddens Schwester wurde nach dem 20. Juli 1944 von den Nazis hingerichtet. Dieses Erbe wurde mit der Abwahl Thaddens nach der Niederlage 1969, bei der die NPD knapp mit 4,3 Prozent bei der Bundestagswahl scheiterte, gekappt. Die NPD ist heute eine völlig andere Partei, die sogar mit nationalsozialistischen Traditionen kokettiert.

Udo Voigt war seit 1985 verantwortlich für den Bereich Bildung innerhalb der NPD und leitete schließlich das Nationaldemokratische Bildungszentrum in Iseo/Italien. Ab1992 war er für sechs Jahre Landesvorsitzender in Bayern. Schließlich trat er die Nachfolge Günter Deckerts an, der die Partei Anfang der Neunziger durch Prozesse um die Leugnung des Holocaust wieder spektakulär ins Bewußtsein der Öffentlichkeit brachte. Voigt schätzt die Heimat, wie sie am idyllischsten ist, mit Geborgenheit und dem Gefühl "zu wissen, daß man sich aufeinander verlassen kann". Ebenso entspannt Voigt aber gerne beim Segeln oder Skilaufen, bei griechischen Klassikern oder lateinamerikanischer Tanzmusik.

Hineingeboren in die reaktionäre Realität der westdeutschen Bundesrepublik, entwickelt Voigt revolutionäre Allüren. Er sieht die NPD "als einzige Alternative zu den Bonner Lizenzparteien" und geißelt "die Herrschaft des internationalen Großkapitals in Form der EU (Globalisierung) und Nato (Aufgabe nationaler Souveränität)". Voigt ist das perfekte Spiegelbild seiner Partei, einer eigentlich völkisch-reaktionären Truppe, deren revolutionäres Gebärdenspiel allein im Angesicht der bundesdeutschen Konsensgesellschaft überzeugend wirkt. Tatsächlich aber ist es mit der Pose nicht weit her, und so bleibt Voigt angesichts des drohenden Parteiverbots nichts weiter übrig, als sich zurückzunehmen. Radikale innerparteiliche Kritiker quittieren dies bereits mit dem Vorwurf der Anbiederung an das verhaßte "System".


 
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